Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

28.06.13; Sidney Schering

Auf dem Friedhof

Eine glänzende, silberne Stele. Darauf eingraviert: Das Logo eines Fußballvereins.

Dieses Denkmal wurde für einen Friedhof entworfen, als letzter Wunsch eines krebskranken Jungen. Er liebte seinen Heimatverein. Aber die kirchliche Friedhofsleitung legte in Veto ein, forderte christliche Symbolik auf der Ruhestätte – und löste so herbe Proteste aus. Erst ein Kompromiss konnte die Wogen glätten: Nun befindet sich auf dem Grab ein unauffälliger Hinweis auf den Ballsport.

Als ich davon las, war ich verwirrt: Wie kann die Kirche zwar Toleranz predigen, aber ein harmloses Fußballemblem auf einem Grabstein verbieten?

Dann stolperte ich über die Wortwahl in all den Berichten. Der Verstorbene wurde unentwegt auf seine Liebe zum Fußball reduziert. Ein Mensch, der wie jeder andere viele Interessen hatte und ganz verschiedene Charakterzüge, war plötzlich bloß „der verstorbene Fußballjunge“. Vielleicht hat die Friedhofsleitung doch richtig reagiert?

Denn wie sähe es aus, wenn wir alle nach unserem Tod derart reduziert würden? Bekäme ich als Filmfan einen Eimer Popcorn aus Granit spendiert? Und mein Kumpel Christof einen Grabstein in Form eines iPads? Bekommt Elena dann meterhohe High-Heels aus Marmor? Ein Friedhof wäre nur noch eine Ansammlung von Stereotypen.

Daraus ziehe ich den Schluss: „Vor dem Tod sind alle gleich“ - es klingt oft wie eine Drohung, ist aber ein Segen.

Sprecherin: Alexa Christ

 

Audiobeitrag Auf dem Friedhof


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