Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

11.08.12; Landessuperintendent Dr. Martin Dutzmann

Mein ganzes Herz erhebet dich (eg 634)

Musik I: 1. Strophe „Mein ganzes Herz erhebet dich; vor dir will ich mein Loblied singen.“

Autor: Südfrankreich Ende der siebziger Jahre. Als Theologiestudent arbeite ich in einer evangelisch-reformierten Kirchengemeinde mit, die auf einen neuen Pfarrer wartet. Ich halte Gottesdienst, taufe Kinder, beerdige Verstorbene. Dabei lerne ich sie lieben, die Melodien des Genfer Psalters. Die Gemeindeglieder dort singen sie mir ins Herz. Melodien, die auch ohne die Begleitung durch ein Instrument gut singbar sind. Einfache Rhythmen, die Tonhöhe bewegt sich fast immer im Raum einer Oktave, und es gibt nur zwei Notenwerte. Die Genfer Psalmen – sie haben mich aber nicht nur wegen ihrer Melodien angerührt. Deutlich habe ich gespürt, wie in ihnen die Glaubens- und Leidensgeschichte der Hugenotten lebendig wird. Die Geschichte der evangelisch-reformierten Christen Frankreichs. Mehr als zweieinhalb Jahrhunderte lang waren die Hugenotten in Frankreich verfolgt. Unzählige wurden zur Arbeit gezwungen, verjagt oder grausam ermordet. In all dem gaben ihnen die Psalmen Kraft – gesungen in Gebirgshöhlen, auf Galeeren, am Galgen…

Musik I. „Mein ganzes Herz erhebet dich; vor dir will ich mein Loblied singen und will in deinem Heiligtum, Herr, dir zum Ruhm mein Opfer bringen.“

Autor: Unterschiedliche Menschen fassten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Straßburg und vor allem in Genf die 150 Psalmen der Bibel in Reime und Töne. Der französische Hofdichter Clément Marot war ebenso unter ihnen wie der Reformator Johannes Calvin und sein Mitarbeiter Theodor Beza. Sie schrieben die Texte. Die Melodien steuerten Musiker wie Matthäus Greiter, Louis Bourgeois und Guillaume Franc bei. Es waren Lieder die Mut machten. Und das hatten die Menschen in den neu entstehenden evangelischen Gemeinden nötig.

Sprecherin:  „Durch das Singen von Psalmen treten Männer, Frauen und Kinder in die Gemeinschaft der Engel ein.“

Autor: Das hatte der Reformator Johannes Calvin sinngemäß einmal gesagt. 

Musik I „Dein Name strahlt an allem Ort, und durch dein Wort wird hell mein Leben. Anbetung, Ehr und Herrlichkeit bin ich bereit, dir, Gott, zu geben.“

Autor: Die Genfer Psalmen entfalteten eine solche Wirkung, dass sie schon bald auch in die deutsche Sprache übersetzt und neu gereimt wurden. Zum Beispiel von Ambrosius Lobwasser und Matthias Jorissen. Der 138. Psalm beginnt in der deutschen Reimfassung so:

Sprecherin: „Mein ganzes Herz erhebet dich; vor dir will ich mein Loblied singen…“

Autor: Ich mag die deutschen Reime über der Genfer Melodie und versuche in die Lieder einzustimmen.

Musik II. „Mein ganzes Herz erhebet dich; vor dir will ich mein Loblied singen und will in deinem Heiligtum, Herr, dir zum Ruhm mein Opfer bringen. Dein Name strahlt an allem Ort, und durch dein Wort wird hell das Leben. Anbetung, Ehr und Herrlichkeit bin ich bereit, dir Gott, zu geben.“

Sprecherin (Overvoice): „Mein ganzes Herz erhebet dich; vor dir will ich mein Loblied singen und will in deinem Heiligtum, Herr, dir zum Ruhm mein Opfer bringen. Dein Name strahlt an allem Ort, und durch dein Wort wird hell das Leben. Anbetung, Ehr und Herrlichkeit bin ich bereit, dir Gott, zu geben.“

Autor: Dich, mein Gott, und nur dich, will ich ehren. Das fällt mir nicht immer leicht. Ich frage mich: Warum müssen manche Menschen so viel und so schrecklich leiden? Warum bebt immer wieder die Erde? Warum finden Menschen nicht zum Frieden? Aber dann denke  ich an den reformierten Wollkämmerer Leclerc aus Meaux. Als der im Jahr 1524 vor seinem Märtyrertod auf dem Scheiterhaufen unsägliche Schmerzen litt, betete er laut den 115. Psalm: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre…“

Sprecherin:  „Dein Name strahlt an allem Ort und durch dein Wort wird hell das Leben.“

Autor: An allem Ort? Strahlt dein Name auch an Orten, wo Menschen tief traurig und verzweifelt sind, wo Menschen ausgebeutet und gequält werden? Die Hugenotten haben es so erlebt. Nachdem viele auf dem Scheiterhaufen gestorben waren, mussten ihre Nachkommen auf Galeeren arbeiten. An den Füßen mit ihren Leidensgenossen, nicht selten Schwerverbrechern, zusammengeschmiedet, getrennt von ihren Familien und der Heimat, mussten sie auf fremden Meeren die langen, schweren Ruder bewegen. Bei ihrer eintönigen, zermürbenden Arbeit sangen sie Psalmen und wurden getröstet.

Musik II 2. Strophe: „Dein Name, Herr, ist unser Hort; du hast dein Wort an mir erfüllet; du hast auf mein Gebet gemerkt und mich gestärkt, mein Herz gestillet. Die Völker werden preisen dich und Mächtge sich zu dir hin kehren, wenn sie das Wort vom ewgen Bund aus deinem Mund verkünden hören.“

Sprecherin: (overvoice) „Dein Name, Herr, ist unser Hort; du hast dein Wort an mir erfüllet; du hast auf mein Gebet gemerkt und mich gestärkt, mein Herz gestillet. Die Völker werden preisen dich und Mächtge sich zu dir hin kehren, wenn sie das Wort vom ewgen Bund aus deinem Mund verkünden hören.“

Autor: Wie oft habe ich mit den Worten Jesu gebetet: „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Wenn die Nachrichten uns wieder einmal Bilder von  Flüchtlingen auf der Suche nach Wasser und Nahrung zeigten. Von ausgemergelten, zerbrechlichen Kinderkörpern. Da hast du mein Gebet erhört und Herzen und Hände der Menschen geöffnet. Aus der ganzen Welt kam Hilfe. Es landeten Flugzeuge mit Nahrungsmitteln und Zelten, Ärzte und Techniker nahmen ihre Arbeit auf und linderten die Not.  Wir müssen darüber hinaus mit vereinten Kräften daran arbeiten, dass es keine Hungersnöte mehr gibt. Dass die Güter der Erde gerecht verteilt werden. Dass wir nicht länger auf Kosten anderer leben. Dabei will ich mithelfen.

Musik II. 3. Strophe: „Herr, ob den Himmeln thronst du hoch und siehest doch die Tiefgebeugten. In Angst und Widerwärtigkeit wird mir allzeit dein Antlitz leuchten. Mach mich von allem Elend frei, denn deine Treu wird niemals enden. Du wirst nach deinem ewgen Rat, Herr, groß an Tat, dein Werk vollenden.“

Sprecherin: (overvoice) „Herr, ob den Himmeln thronst du hoch und siehest doch die Tiefgebeugten. In Angst und Widerwärtigkeit wird mir allzeit dein Antlitz leuchten. Mach mich von allem Elend frei, denn deine Treu wird niemals enden. Du wirst nach deinem ewgen Rat, Herr, groß an Tat, dein Werk vollenden.“

Autor: Gott, obwohl du über allem thronst, siehst du das Leid derer, die ganz unten sind. Das haben die Hugenotten erfahren, als sie verfolgt, verjagt und gequält wurden. Deshalb bitte ich dich: Sieh auch an diesem Tag die Tiefgebeugten an. Sieh die Eltern an, die um ihr todkrankes Kind bangen. Sieh die Ehefrau an, die gerade erfahren hat, dass ihr Mann eine Jüngere liebt. Sieh die Jugendlichen an, die keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Sieh sie an, die Tiefgebeugten, und wecke in ihnen das Vertrauen auf dich. Das Vertrauen darauf, dass deine Treue niemals enden wird.

Musik I 3. Strophe 5.-8. Zeile und Halleluja: „Mach mich von allem Elend frei, denn deine Treu wird niemals enden. Du wirst nach deinem ewgen Rat, Herr, groß an Tat, dein Werk vollenden. Halleluja“

Musikinformationen:
Musik I.
CD-Titel:  Mein ganzes Herz erhebet dich – Motetten, Liedsätze und Choralbearbeitungen zum Genfer Psalter 
Track-Titel:  Mein ganzes Herz erhebet dich
Track-Nr.  01
Text:   Einheitsgesangbuch 1972 nach älteren Fassungen
Melodie:  Loys Bourgeois 1551
Bearbeitung:  Bernhard Reichel (1901-1992)
Chor:   Kantorei der Christuskirche Detmold
Leitung:  Burkhard Geweke
Verlag:  Lippische Bibelgesellschaf e.V.

Musik II.
CD-Titel:  Tonträgertitel: Choräle - Consortium vocale Münster
Track-Titel:  Mein ganzes Herz erhebet dich
Track-Nr.  1
Text:   Einheitsgesangbuch 1972 nach älteren Fassungen
Melodie:  Loys Bourgeois 1551
Bearbeitung:  Freimuth, Heinz-Gert (02.11.1939-22.01.2009) ( Satz ) Deutschland
Chor:   Consortium Vocale Münster
Leitung:  Freimuth, Heinz-Gert (02.11.1939-22.01.2009) Deutschland
Verlag:  Eigenproduktion WDR


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