Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

13.02.10, Pfarrer Gerd Höft

O Jesu Christe, wahres Licht (eg 72)

Choral: (1. Strophe): O Jesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht, / und bringe sie zu deiner Herd, dass ihre Seel auch selig wird.

Choral: (1. Strophe): O Jesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht, / und bringe sie zu deiner Herd, dass ihre Seel auch selig wird.

Sprecherin: O Jesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht, und bringe sie zu deiner Herd, dass ihre Seel auch selig wird.

Autor: Das klingt fast so wie eine Fürbitte. Eine dringlich formulierte dazu. Da gibt es also welche, die sich der Gemeinde Jesu, seiner Herde, verweigern. Unerleuchtete sind sie, denen unbedingt ein Licht aufgehen muss. Jesus, das wahre Licht, soll das seine dazu beitragen. Und damit nicht genug:

Choral: (2./3. Strophe): Erfülle mit dem Gnadenschein, die in Irrtum verführet sein, / Auch die, so heimlich noch ficht an in ihrem Sinn ein falscher Wahn.

Sprecherin: Erfülle mit dem Gnadenschein, die in Irrtum verführet sein, Auch die, so heimlich noch ficht an in ihrem Sinn ein falscher Wahn.

Und was sich sonst verlaufen hat von dir, das suche du mit Gnad / Und ihr verwundt Gewissen heil, lass sie am Himmel haben teil.

Sprecherin: Und was sich sonst verlaufen hat von dir, das suche du mit Gnad. Und ihr verwundt Gewissen heil, lass sie am Himmel haben teil.

Autor: Da macht sich also jemand richtig Sorgen. Sorgen um die, deren Leben offenbar ein einziger Irrtum ist, die nicht ganz richtig im Kopf sind und deren verwundetes Gewissen dringend der Heilung bedarf. Johann Heermann, geboren 1585 in Niederschlesien, seit 1612 evangelischer Pfarrer, hat dieses in Reim und Ton gesetzte Fürbittengebet verfasst. Wem gilt es? Da es kaum Atheisten gab und andere Religionen kaum bekannt oder von nennenswerter Größe waren, kann man fast vermuten, es könnte ein Lied einer innerchristlichen Auseinandersetzung sein. Also der protestantische Herr Pfarrer hatte die armen Katholiken im Blick. Rund hundert Jahre nach Beginn von Luthers Reformation zeigten die sich nämlich immer noch der evangelischen Wahrheit verschlossen. Da hilft halt nur beten. Oder singen:

Choral: (4./5. Strophe): Den Tauben öffne das Gehör, die Stummen richtig reden lehr, / die nicht bekennen wollen frei, was ihres Herzens Glaube sei.

Sprecherin: Den Tauben öffne das Gehör, die Stummen richtig reden lehr, die nicht bekennen wollen frei, was ihres Herzens Glaube sei.

Erleuchte, die da sind verblendt, bring her, die sich von uns getrennt, / Versammle, die zerstreuet gehn, mach feste, die im Zweifel stehn.

Sprecherin: Erleuchte, die da sind verblendt, bring her, die sich von uns getrennt, Versammle, die zerstreuet gehn, mach feste, die im Zweifel stehn.

Autor: Eine protestantische Fürbitte für die Katholiken. Könnte sein. Ist es aber nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Ursprünglich handelt es sich um ein ungereimtes Gebet von den Jesuiten. Das war und ist ein katholischer Orden, dem Papst treu ergeben. Das erwähnte Gebet nun wurde 1589 in Köln gedruckt und hatte – aus katholischer Sicht - die lutherischen Ketzer im Blick. Und nicht nur die. Auch Juden und Heiden werden aufgenommen. Überschrieben ist es: „Ein Gebet für die Ungläubigen und Verführten“ und geht so:

Orgelmusik

Sprecher: O Herr Jesu Christe, du wahres Licht dieser Welt, erleuchte die Finsternis aller Menschen, aller Juden und Heiden, welche dich nicht erkennen, auch der Christen, welche aus deiner Kirche in allerhand Sekten und Irrtümern als die irrigen Schafe umlaufen und den reißenden Wölfen zuteil werden, oder aber sonst heimlich in einem oder mehreren Artikeln unseres christlichen Glaubens irren und ihren Verstand nicht haben gefangen genommen. O Herr, erzeige allen deine Gnade, suche das Verlorene, bring wieder das Verirrte, erleuchte die Verblendeten, eröffne der tauben Ohren, tu auf den Mund der Stummen, die dich nicht be¬kennen, richte auf die Gefallenen, hole wieder die Abgewichenen, versammle die Zerstreuten, bringe zurecht die Irrigen und Verführten, auf dass sie dich samt uns in der christlichen Kirche loben und die allgemeine Seligkeit erhalten mögen. Amen

Choral: (6. Strophe): So werden sie mit uns zugleich auf Erden und im Himmelreich / Hier zeitlich und dort ewiglich für solche Gnade preisen dich.

Sprecherin: So werden sie mit uns zugleich auf Erden und im Himmelreich Hier zeitlich und dort ewiglich für solche Gnade preisen dich.

Autor: Das ist doch einmal eine Geschichte: da gibt es ein Gebet der Jesuiten, in dem Gott gegen die lutherische Ketzerei ins Feld geführt werden soll - und dann kommt ein evangelischer Pfarrer ein paar Jahrzehnte später und macht daraus einen Choral, der seinen Weg ins evangelische Gesangbuch und ins katholische Gotteslob gefunden hat. Was könnten Johann Heermanns Motive gewesen sein? Gleiches mit Gleichem heimzahlen? So nach dem Motto: Betest du gegen mich, bete ich gegen dich? Ich will etwas  Anderes glauben: Pfarrer Heermann hat ganz einfach die Kraft dieses Gebetes gespürt, die Tiefe seiner Gebetsanliegen erkannt, die auch dann bleiben, wenn man sie aller konfessionellen Polemik entkleidet. Eine wunderbare Fürbitte halt für alle, die an der christlichen Botschaft zweifeln oder auch verzweifeln, welcher Konfession sie auch sein mögen; die vor all den unheilvollen Einflüsterungen nicht mehr das Richtige hören, die ihren Glauben nicht mehr in die richtigen Worte fassen können; die ihre Orientierung verloren haben, in Sackgassen landen und die in ihrem Leben kaum noch einen lichten Funken sehen. Es würde besser zu Johann Heermann passen, der alles andere als ein Eiferer war. Er war glaubensfest wie der leidende Hiob, mit dem er auch sonst gerne verglichen wurde. Das kann man eindrücklich aus der Rede heraushören, die 1647 an seinem Grab gehalten wurde:

Sprecher: Dies sei noch gemeldet; dass sein ganzes Leben ein stetes Siechen und Kranken gewest, also dass er von Kind an bis an sein Ende nicht eines recht gesunden einzigen Tages sich zu rühmen gehabt. In der Kindheit und Jugend haben ihn geplagt Augen- und Ohren-Wehe; Fieber, heftige bald in Rücken, bald in die Luft-Röhr fallende Flüsse, die sich folgends bei währendem Kirchen-Dienst bei ihm also gehäufet und gestärket und ihm mit Husten und Würgen also zugesetzt, dass er öfters vermeinet, auf der Stelle tot zu bleiben, welches Elend über vierundzwanzig Jahre nacheinander gewähret.

Autor: Ein solchermaßen gebeutelter Mensch dichtet keine billige Polemik. Der kann von kleinkariertem Konfessionalismus absehen und  die Christenheit als Ganzes in den Blick nehmen. Auch uns, die längst Nachgeborenen, die seine gereimten Bitten durchaus ebenso nötig haben, wie seine Zeitgenossen.

Choral: (Strophen 1-3): 1. O Jesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht, / und bringe sie zu deiner Herd, dass ihre Seel auch selig wird.
2. Erfülle mit dem Gnadenschein, die in Irrtum verführet sein, / Auch die, so heimlich noch ficht an in ihrem Sinn ein falscher Wahn.
3. Und was sich sonst verlaufen hat von dir, das suche du mit Gnad / Und ihr verwundt Gewissen heil, lass sie am Himmel haben teil

Musikinformationen:

CD:
WDR Eigenproduktion
Text von Dichter:  Johann Heermann
Komponist:   Fritz Werner
Melodie:  Nürnberg 1676/1854
Chor: Kantorei des Kirchenkreises Moers unter der Leitung von: Ruth Schmalenberg

CD:   Klingendes Gesangbuch Nr. 8
Komponist:   traditionell
Solist (Orgel): Bernd Dietrich


Zitate: Rößler, Martin: Liedermacher im Gesangbuch, Stuttgart 2001 (348; 355/356).

Audiobeitrag O Jesu Christe, wahres Licht (eg 72)


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