Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

18.12.05, 7.45 Uhr, Kerstin Hanke

Das Fest der Improvisation

Die Gans verschmort. Den Adventskranz halb abgefackelt. Die Kristallvase beim Einschlagen ins Geschenkpapier fallen gelassen. Die Weihnachtszeit war für mich

schon immer eine Zeit von Pleiten, Pech und Pannen…Und wie in jedem Jahr: Ich freue mich auf diese kleinen persönlichen Katastrophen.

Warum? Sehr einfach. Weihnachten ist das Fest der Improvisation. Dabei will ich doch alles perfekt machen. Die Wohnung dekorieren. Den Tisch  festlich schmücken. Alle meine Lieben blitzblank und sauber vor einem köstlichen Essen sitzen haben. Dazu die perfekten Geschenke und ein Christkind, dass pünktlich die Bescherung einleitet…Nun - das mag anderen gelingen. Mir nicht.
Bei mir geht was schief. Und das ist gut so.

Denn mein Perfektionswahn – habe ich gemerkt - verhindert etwas wesentliches. Dass  Freude einzieht.  Ich versuche ja mit aller Macht  Freude zu inszenieren. Als ob sie sich  durch perfekte Organisation einstellte. Ich schiebe alle möglichen Dinge, Sorgen und Pläne in den Vordergrund meines Lebens. So lange bis das so voll gestellt ist, dass für die Freude kein Platz mehr ist.

Genau deswegen habe ich die Pannen so zu schätzen gelernt. Denn wenn etwas schief geht, dann ist es eben nicht mehr perfekt und ich muss das beste daraus machen. Ich muss improvisieren. Und kaum lasse ich dann die Sorgen los, kommt die Freude, macht sich breit und mich weit.

So wie bei Tante Irene, die den Karpfen, der in der Badewanne seine Runden schwamm, partout nicht von Onkel Egon schlachten lassen wollte. Kurz entschlossen machte sie einen Kartoffelsalat. Stand einmal nicht stundenlang in der Küche, um gestresst das vier Gänge Menue zu zaubern. Der Weihnachtsnachmittag fand im Badezimmer statt. Da sangen wir Kinder dem Karpfen alle Weihnachtslieder vor, die wir nur kannten. Die Erwachsenen standen dabei, hatten Zeit, waren mal nicht beschäftigt. Daran erinnern sich heute noch alle.

Oder als wir als Paar den ersten Tannenbaum kauften, aber keine Ständer besaßen. Da haben wir ihn kurzerhand in dem Verpackungsnetz unter die Decke genagelt. Das war zwar schräg und ungewöhnlich. Aber ein echt himmlischer Baum. Der alle zum Schmunzeln brachte und der bis heute unvergessen ist.

Oder als der E-herd genau an Heilig Abend den Geist aufgab und wir gezwungen waren, auf dem Campingkocher im Freien zu kochen.  Alle Passanten, die vorbeikamen, fanden das höchst erstaunlich. Schon kam man ins Gespräch. Menschen, die einander vorher nicht kannten, wünschten sich ein frohes Fest. Nicht mal eben so im Vorbeigehen. Sondern von ganzem Herzen. Der Funke der Freude sprang über. Von einem zum anderen.  Da war es Weihnachten.

Oder wie bei Maria und Josef. Die nun auch nicht einen Kreissaal mit sterilen Bedingungen vorfanden. Sondern improvisierten. Kein Zimmer in der Herberge. Dann eben der Stall. Keine Wiege. Dann eben eine Futterkrippe für das Neugeborene. Improvisation in Bethlehem. Im Himmel löste das große Freude aus. Freuet euch, freuet euch. Immer wieder sangen es die Engel den Hirten auf dem Felde. Sangen es in die Weite der Landschaft. Eine Freude, die bis heute anhält.

Und die ich immer dann spüre, wenn ich aufhöre mich um die Dinge zu kümmern und den Blick wach habe, was wirklich zählt. Und das sind die Menschen. 

Audiobeitrag Das Fest der Improvisation


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