Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

24.12.05, 6.56 Uhr, Hans Dieter Osenberg

Wenn Sie Heiligabend allein sind

Vierundzwanzigster Dezember. Der einzige Tag im Jahr, der nach dem Abend heißt: Heiligabend.Aber noch ist Morgen, früher Morgen. Da ertrinkt man noch nicht

so sehr in Gefühlen, wie heute Abend. Eine gute Zeit, um einigen etwas Bestimmtes zu sagen. Ich möchte zu denen sprechen, die heute Abend alleine sein werden. Vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben.

Bitte, seien Sie nicht verbittert, wenn Sie vergebens auf eine Einladung gewartet haben. Und ärgern Sie sich nicht, wenn Sie sogar bewusst eine ablehnten und sich nun vor dem Abend doch ein klein wenig fürchten. Seien Sie lieber ein bisschen neugierig darauf, ob Alleinsein am Heiligen Abend Ihnen nicht sogar eine ganz neue Erfahrung beschert. Allerdings muss man auch selbst etwas dazu tun.

Legen Sie zum Beispiel alles an Briefen oder Päckchen, was Sie heute noch erreicht, beiseite, um es heute Abend in aller Ruhe zu lesen und zu öffnen. Vielleicht legen Sie sich sogar Fotos zurecht, um diejenigen, die Ihnen verbunden sind, die geschrieben haben, auch im Bild vor sich zu sehen.

Sicher ist es angenehmer, mit anderen gemeinsam am Tisch zu sitzen. Aber wenn das nun nicht sein kann, verzichten Sie trotzdem nicht darauf, sich eine festliche Mahlzeit zu bereiten und decken Sie dazu den Tisch genau so schön, wie Sie es tun würden, wenn Sie Gäste hätten.

Wenn Sie das Haus noch verlassen können, sollten Sie sich vornehmen, eine gottesdienstliche Christvesper zu besuchen. Denn es ist gut, die Geburt Jesu von Nazareth in Gemeinschaft zu loben und zu besingen. Wenn Sie sich das gesundheitlich nicht mehr zumuten können, dann bedienen Sie sich ungeniert eines Gottesdienstangebots im Rundfunk oder im Fernsehen. Dazu sind die Sendungen da. Im ARD-Fernsehprogramm finden Sie in der Regel am Nachmittag eine Christvesper, im ZDF am späten Abend.

Ich erinnere mich an eine Zuschauerin, die mir einmal gesagt hat: Immer bin ich am Heiligen Abend in die Kirche gegangen. Aber als das einmal nicht ging, habe ich am Fernsehgerät eine Christvesper miterlebt, so intensiv, wie nie vorher. Und scheuen Sie sich nicht, Weihnachtslieder, wenn Sie sie kennen, laut mitzusingen.

Gewiss haben Sie diejenigen, die Sie beschenken wollen, längst bedacht. Aber vielleicht fällt Ihnen heute morgen noch jemand ein, der am allerwenigsten damit rechnet, von Ihnen eine kleine Aufmerksamkeit zu bekommen. Und wenn es nur ein Telefonanruf ist. Ein Kranker oder eine Ausländerfamilie in Ihrer Nachbarschaft möglicherweise. Oder jemand, der Sie in diesem Jahr verletzt hat. Wenn Sie heute Abend alleine sind, dann werden Sie froh sein, wenn Sie sich zu so einem überraschenden Liebeszeichen durchringen konnten.

Geben Sie nicht dem Sog nach, das Alleinsein den ganzen Abend nur mit Hilfe des Fernsehgeräts zu überwinden. Suchen Sie sich aus dem Programm etwas heraus, das Ihnen Freude macht. Aber beschränken Sie diese Zeit. Lassen Sie auch Raum für eigene Gedanken, für Stille, vielleicht auch für Tränen.

Für Ihren persönlichen Christabend noch ein Wort der Heiligen Schrift:

"Gottes Wort ward Mensch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade."

Und nun wünsche ich Ihnen einen guten Abend und eine Heilige Nacht, in der Gott Sie wissen lässt, dass Sie unter seiner Hut nie allein sind. 

Audiobeitrag Wenn Sie Heiligabend allein sind


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