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Musik - der Weg zu Gott
Zum Lob Gottes werden wir einmal keine Orgeln mehr benötigen. Auch renommierte Chöre und Vokalsolisten oder berühmte Orchester werden dazu nicht mehr gebraucht.
Stereoanlagen und DVD-Player, die den Lobgesang Marias von Heinrich Schütz oder das Halleluja aus Händels Messias vervielfältigen, werden ihre Zeit gehabt haben.
Ein merkwürdiger Redeanfang, werden Sie denken. Jetzt, ausgerechnet jetzt, wo Kirchen und Konzertsäle von Weihnachtsmusik schon rundum singen und klingen und die Plakatwände alle möglichen Kostbarkeiten der Musikliteratur anzeigen.
Aber wenn wir einem adventlichen Text des Propheten Jesaja folgen, dann speist sich das Lob Gottes einmal aus ganz anderen Quellen:
Da sind Wüsten und Elendsgebiete der Erde ein einziger Klangkörper und Resonanzboden für das Gloria. Blinde Augen und taube Ohren werden geöffnet und lösen Jubel aus. Sprachlose stimmen Lieder an und Gelähmte tanzen. Verdorrtes Land verwandelt sich in ein Blütenmeer und Schmerzensschreie in fröhlichen Gesang.
So real und bodenständig ist das, was christlicher Glaube von der Zukunft erwartet. So hautnah ist das, was er "Erlösung" nennt. Was immer Komponisten und Instrumente an Harmonie hervorbringen können, es ist letztlich auf dieses Ziel ausgerichtet. Auf ein Ziel also, wo sich jedes Instrument überflüssig macht, weil das ganze Leben eine einzige Harmonie ist. Zwischen den Menschen und Gott. Zwischen Mensch und Tier. Zwischen Mensch und Natur. Kein Missklang, nirgends. Darunter, unter diesem Ziel, tut es der Glaube nicht.
Und alles, was in diesen Tagen erklingt, vom schlichten Kinderweihnachtslied bis zum strahlenden Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" des Bach'schen Weihnachtsoratoriums, wäre ohne Sinn - wenn wir nicht letztlich auf die Gemeinschaft der Erlösten hofften. Auf die Wiederaufrichtung der Elenden. Auf die Resozialisierung der Einsamen und Depressiven. Auf die Ausrottung der Sucht. Auf des Ende von Gebrechen und Siechtum.
Wirklich, zum Jubeln und Frohlocken werden wir einmal keine Instrumente und Chöre mehr benötigen. Aber noch - noch brauchen wir sie! Dringend sogar.
Weil sie uns einen Vorgeschmack der endzeitlichen Harmonie ins Ohr bringen. Weil das Wort allein die Erlösung, die uns versprochen ist, nicht fassen kann. Weil Musik, wie wir bezeichnenderweise sagen, "ins Blut geht". Weil Töne die Seele oft eher erreichen, als Predigten. Weil unter den Händen aller, die ein Instrument spielen und unter dem Atem aller, die singen, sich Heilungen vollziehen. Heilungen, die weder Medikamente noch Worte erreichen konnten. Weil Musik Verkrampfungen löst und zum Weinen befreit. Weil über Musik und Wort Gott gleichsam "in beiderlei Gestalt" zu uns kommt, wie in Brot und Wein beim Abendmahl.
Ein alter jüdischer Rabbi sagte es einmal so: "Von den himmlischen Hallen ist die Halle der Musik die unterste und kleinste. Aber wer sich Gott nähern will, braucht nur diese Halle zu betreten."
Musik - der Weg zu Gott
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