Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

20.12.05, 5.56 Uhr, Jochen Müller

Maria in Erwartung

Können Sie gut warten? An der Bushaltestelle, im Stau, auf einen Anruf…Ich nicht. Lieber ist es mir, wenn ich nicht warten muss. Im Advent warten wir. Ich bin froh, dass es

da Hilfestellungen gibt. Manch einer hat für seine Kinder oder für seine Partnerin einen Adventskalender gebastelt oder gekauft. Jetzt sind nur noch wenige Tage bis das letzte Türchen geöffnet ist. Der Adventskalender hilft beim Warten.

Wer wartet, der zählt die Tage, die Stunden, die Minuten. Vielleicht indem er die Tage auf dem Kalender durchstreicht oder einfach runtergezählt bis Weihnachten wie bei einem countdown.

Der Adventskalender ist da anders. Er macht die Zeit des Wartens zu einer Zeit der Er-wartung: es werden täglich Türen geöffnet und dahinter immer eine kleine Überraschung: ein Bild, eine Süßigkeit.. Das ist ein schönes Symbol: Wer eine Tür öffnen kann, darf eintreten. Wer jemanden erwartet, öffnet ihm die Tür. Mit den Türen am Adventskalender öffnen wir uns den Weg nach Weihnachten. Die Zeit des Er-Wartens verändert uns, sie öffnet uns, für den, der zu uns kommt.

Meine Marienfigur aus Assisi steht heute so vor mir, dass ich sie von der Seite sehe. Maria sieht aus, als sei sie schwanger. Noch kann sie ihr Kind  nicht sehen, aber manchmal schon spüren. Freude und Angst mischen sich in dieser Zeit. Was wird wohl sein? Wann werde ich es endlich sehen? Und die Schmerzen?

Maria war nicht nur begeistert von dieser Schwangerschaft. Was würde ihr Verlobter Josef dazu sagen, obwohl da noch gar nichts zwischen ihnen gelaufen ist? Würde er sie verlassen? Wie sollte sie ein Kind ohne Vater großziehen und würde sie nicht zum Gespött der Leute werden? Maria – in Erwartung ihres ersten Kindes – braucht den Beistand des Himmels. Denn was konnte sie schon von den Menschen erwarten?

Maria braucht einen Engel, einen Gottesboten, der ihr sagt, was sie zu erwarten hat und dass sie unter dem Schutz Gottes steht. Einen Engel, der auch Josef im Traum erscheint und ihm sagt, er möge bei seiner Verlobten bleiben. Einen solchen Engel, der mir sagt, was ich noch zu erwarten habe, wünschte ich mir manchmal auch. Woher nehmen wir unsere Hoffnungsbilder von Morgen?

Wir brauchen den Engel, der uns sagt, worauf wir eigentlich noch warten. Wir brauchen Menschen, die etwas erwarten in dieser Zeit, in diesem Leben, von ihrem Leben. Wir brauchen Menschen, die geöffnet sind für die Zukunft. Die offen sind für das, was erst noch kommt. Wer nichts mehr erwartet, hat die Tür zum Morgen zugeschlagen. Die schwangere Maria kann uns diese Hoffnung auf das Leben neu beibringen

Audiobeitrag Maria in Erwartung


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