|
Tag des Apostels Thomas
Jesus spricht zu seinen Jüngern: Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so
wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr. Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Joh14,1-6
Wie kann Gott das zulassen? Durch einen Verkehrsunfall verlor ich mein Kind! Das war ein sinnloser Tod ! Warum musste meine Frau noch so schwer leiden, bevor sie starb? Inzwischen habe ich meinen Glauben verloren. Ich leide an einer schweren Krankheit. Ist sie etwa die Strafe für uneingestandene Sünden und Versäumnisse? Warum greift Gott nicht ein? Unter Krieg, Terror, Ungerechtigkeit und Armut leiden so viele Menschen! Gibt es überhaupt einen Gott, der Welt erhält? Bei Erdbeben und Überschwemmungen verlieren so viele Menschen Hab und Gut, wenn nicht sogar ihr Leben.
Liebe Gemeinde, das sind nur einige Fragen aus einer langen Liste. Im Laufe meiner Tätigkeit als Pastor wurden sie mir so oder so ähnlich gestellt.
Zugegeben, das sind unangenehme Fragen, Fragen bei denen auch ich verlegen werde und bisweilen stammelnd nach Antworten suchen muss. - Und dennoch denke ich:
Wie gut, dass es Christen gibt, die sich trauen, solche Fragen zu stellen, die nicht so tun, als sei ihnen alles klar. Gut, dass es Christen gibt, die ehrlich zugeben, dass sie etwas nicht verstehen können, und die das dann auch offen aussprechen. Diese Menschen sind auch gar nicht die einzigen, die diese Fragen haben. Sie sprechen nur aussprechen, was auch viele andere um sie herum bewegt und die sich vielleicht nicht trauen, das so offen zu sagen. -
Im Johannesevangelium wird uns auch ein solcher Frager vor Augen gestellt, einer, der Zweifel hat und diese auch offen ausspricht: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? Thomas heißt dieser Grübler, Frager, Zweifler!
Wir kennen ihn aus der Ostergeschichte: dass er den auferstandenen Jesus vor sich hat, will er erst glauben, nachdem er die Nägelmale selbst gesehen und befühlt hat.
An diesen Thomas denkt die Kirche in besonderer Weise am 21. Dezember eines jeden Jahres und dankt ihm dabei zugleich für seine Fragerei, dankt vor allem aber Jesus selber, dass er ausgerechnet einen solchen Frager, Grübler, ja Zweifler, wie den Thomas zu seinem Apostel gemacht hat.
Liebe Gemeinde! Ehrlich gesagt, für mich ist das zutiefst tröstlich: Sogar ein Jünger, einer, der nun die ganze Zeit Jesus gesehen hatte und mit ihm zusammen gewesen war, ausgerechnet ein solcher Mensch hatte auch Zweifel und Fragen.
Wenn dieser Zweifler Thomas seinen Platz im Kreis der Apostel hatte, dann haben auch wir unseren Platz in der Kirche Jesu Christi, - auch wenn wir nicht alles verstehen und nachvollziehen können, was in der Bibel geschrieben steht, auch wenn wir nicht alles nachvollziehen können, was in der Kirche über Gott und Jesus Christus und den Heiligen Geist gelehrt wird, auch wenn wir Fragende und Zweifelnde sind.
In unserem heutigen Text zur Predigt ist es zumindest der Thomas - der nicht nachvollziehen kann, was Jesus da sagt. ...wo ich hingehe, den Weg wisst ihr sagt Jesus. Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen [eben] nicht, wo du hingehst; wie können wir [da] den Weg wissen?
Die Antwort, die Jesus auf diese Frage gibt, ist grundlegend für den christlichen Glauben. Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. In dieser Antwort steckt sehr viel drin, was unseren Glauben an Gott und an Jesus Christus betrifft. Also: Dreierlei antwortet Jesus auf den zweifelnden Einwand des Thomas: Er, Jesus Christus, er ist - der Weg - die Wahrheit - das Leben. I. Liebe Gemeinde, dieses Wort Jesu haben wir sicherlich schon oft gehört und wir kennen es. Und doch tut es uns gut, es nun noch einmal genauer zu betrachten, uns ihm gleichsam mit den Augen und Ohren des Thomas noch einmal zu nähern.
Ich bin der Weg, sagt Jesus zunächst einmal.. Er sagt also nicht: Ich bin ein Weg zu Gott; er sagt auch nicht: Ich bin euer Weg zu Gott, liebe Jünger, andere Menschen mögen andere Wege haben. Nein, Jesus sagt: Ich bin der Weg. Und das ist eine durchaus provozierende Aussage.
In der Regel stellen sich das die Menschen heute mit der Religion ja so vor: Jeder Mensch ist irgendwie auf der Suche nach Gott, nach etwas Höherem. Und jeder Mensch hat dabei so seinen eigenen Weg, wie er an dieses Höhere, an dieses Göttliche, herankommt. Der eine meditiert und entdeckt das Göttliche tief in seinem Inneren, im Urgrund seiner Seele; die andere findet Gott beim Spaziergang im Wald; der dritte hat mit dem Buddhismus ganz tolle Erfahrungen gemacht, und für die vierte ist Gott ein anderes Wort für Nächstenliebe.
Wie gesagt, jeder hat eben so seinen eigenen Zugang, seinen eigenen Weg zu Gott, und tolerant wie wir sind, wollen wir ja nicht bestreiten, dass auch Jesus solch ein Weg zu Gott sein kann, dass es Menschen gibt, die über Jesus den Weg zu Gott finden.
Doch dabei macht Jesus selber nicht mit: Er ist keine beliebige Zufahrtsmöglichkeit zu Gott, die sich durch viele andere ersetzen ließe. Nein, Gott ist doch nicht bloß eine unbekannte Größe, über die sich die Menschen zwar alle möglichen Gedanken machen können, an die aber letztlich von sich aus kein Mensch herankommt. Gott ist ein lebendiger Gott, einer, der sich zu erkennen gegeben hat, der zu uns Menschen gekommen ist in einer ganz konkreten Gestalt, in der Gestalt eines Babys in einer Futterkrippe, so und nicht anders hat Gott sich festgelegt, so und nicht anders kommen wir an ihn, Gott, heran. Er, Christus, er ist und bleibt der Weg, der einzige Weg zu Gott, der einzige Weg, auf dem wir nicht bei unseren selbst gebastelten Gottesvorstellungen, sondern bei dem lebendigen Gott landen, der einzige Weg, auf dem wir auch gewiss sein dürfen, dass unsere Gebete wirklich den lebendigen Gott erreichen und von ihm gehört werden.
Doch dieses Wort Jesu ist nicht bloß eine Absage an alle möglichen Formen von Religionsmischerei; es ist auch ein mahnendes und tröstendes Wort an uns selber, wenn wir mal wieder anfangen, uns alle möglichen spekulativen Gedanken über Gott zu machen, wenn uns die Fragen und die Zweifeln wieder einholen: Jesus, der Christus, er ist der Weg hinaus aus den Zweifeln und Fragen.
[ O R G E L ]
Liebe Gemeinde! Ich bin der Weg, sagt Jesus Christus. Ihr könnt euch noch so sehr den Kopf über Gott zerbrechen! Ihr könnt euch noch so viele kluge oder weniger kluge Gedanken über Gott machen! Das bringt letztlich alles nichts. Mit diesen Gedanken landet ihr letztlich doch immer wieder in einer Sackgasse. Ich bin der Weg. Nur wenn ihr auf mich schaut, nur, wenn ihr ernst nehmt, dass ich der Zugang zu Gott bin, nur dann kommt ihr an Gott heran. Nur wenn ihr auf mich schaut, auf mein Leben, mein Sterben und meine Auferstehung, könnt ihr recht begreifen, wer Gott in Wirklichkeit ist. Und , ihr könnt erkennen, dass Gott - trotz all eurer Anfragen und Einwände - im Letzten und Entscheidenden doch die Liebe in Person ist und bleibt.
Ich bin der Weg das ist für uns schließlich auch ein ganz großer Trost. Dann, wenn wir mit dem Ende unseres Lebens konfrontiert werden. Dann, wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden. Da scheinen wir ja in einer Sackgasse zu landen. Da scheinen wir in einer Sackgasse zu landen, in der es nicht mehr weitergeht und auch kein Rückweg möglich ist. Doch gerade da, wo wir merken, dass sich uns am Ende unseres Lebens alle Wege verschließen, hören wir diese Zusage unseres Herrn: Ich bin der Weg. Und dieser Weg, der führt auch durch den Tod hindurch. Dieser Weg bricht die Sackgasse auf und führt uns bis zu den Wohnungen, die Jesus Christus bei Gott jetzt schon für uns vorbereitet hat. Die Wohnungen, die für uns schon reserviert sind seit dem Tag unserer Taufe. Ja, ich bin der Weg, sagt Jesus Christus. Der Weg, der euch zu eurem endgültigen Zuhause führt. Der uns dorthin führt, wo wir einmal endgültig keine Fragen mehr werden stellen müssen.
Liebe Gemeinde! Und wenn Jesus dann im weiteren davon spricht, dass er auch die Wahrheit und das Leben ist, dann unterstreicht er das nochmals deutlich, was er zuvor gesagt hat.
Die Wahrheit ist er. Auch wenn viele Leute heutzutage ja behaupten, die Wahrheit gäbe es gar nicht, sondern jeder Mensch habe so seine eigene Wahrheit. Diese Leute behaupten, die Wahrheit, wenn es sie denn überhaupt gäbe, wäre etwas, was sich immer wieder neu entwickelt und verändert. Doch mir ist nicht bekannt, dass Jesus an diesem Punkt seine Position verändert hätte. Mir ist nicht bekannt, dass Jesus sich weiterentwickelt hätte und jetzt auch behaupten würde, er sei eine Wahrheit von vielen.
Eines ist allerdings in der Tat zu bedenken: Jesus ist keine Theorie und kein Lehrsatz. Jesus ist eine Person. Er lehrt nicht bloß die Wahrheit, er ist die Wahrheit. An dieser Stelle müssen wir auf das Alte Testament schauen, wenn wir verstehen wollen, was Jesus hier meint. Wahrheit, das bedeutet im Alten Testament so viel wie Treue, wie die unverbrüchliche liebevolle Zuwendung Gottes, und diese Wahrheit, die ist Jesus in Person. Wenn ich mich an Jesus halte, weiß ich: Ich werde nicht getäuscht und enttäuscht. Mit ihm erlebe ich keine Pleite. Er führt mich nicht an der Nase herum. Wenn ich auf ihn höre, dann kann ich mich darauf verlassen.
Das ist nicht unbedingt eine populäre Aussage. Jesus sagt eben auch nicht: Ich bin die Mehrheit. Er sagt, ich bin die Wahrheit. Mehrheiten können irren. Und weh uns, wenn wir uns in unserem Lande bis in die Gesetzgebung hinein nur noch an dem orientieren, was die Mehrheit will und für richtig hält. Weh uns, wenn das angeblich gesunde Volksempfinden festlegt, was Wahrheit sein soll. Wohin das führt, das haben wir im letzten Jahrhundert in unserem Lande schon mal bitter erfahren müssen.
Liebe Gemeinde! Ach, dass wir immer wieder den Mut haben mögen, uns nicht unbedingt auf die Seite der Mehrheit, wohl aber auf die Seite der Wahrheit zu stellen, die keine Theorie, sondern gelebte Treue ist!
Und dann sagt Jesus schließlich noch, dass er das Leben ist, das Leben in Person. Darauf läuft letztlich alles hinaus.. Wenn wir den Weg zu Gott finden wollen, dann geht es doch nicht bloß darum, dass wir unsere Neugier befriedigen, um herauszukriegen, wie denn Gott wohl so ist. Wenn wir uns an die Wahrheit halten, die Jesus verkörpert, dann geht es uns doch nicht um irgendwelche Rechthaberei, in dem Sinne: Ätsch, wir wissen, was richtig ist, und die anderen wissen es nicht. Wenn wir uns an die Wahrheit halten, die Jesus verkörpert, dann geht es wirklich um unser Leben. Dann geht es darum, dass wir tatsächlich einmal in den Wohnungen ankommen, die Christus bei Gott für uns vorbereitet hat. Dann geht es darum, dass für uns mit unserem Tod nicht einfach alles aus ist.
So ist es zutiefst tröstlich für uns: dieses Leben, das wir erhoffen, dieses Leben, das stärker ist als der Tod, dieses Leben erwartet uns nicht einfach bloß irgendwann einmal, wenn wir gestorben sind. Nein, es ist tröstlich zu wissen, dieses Leben können wir jetzt schon bekommen und erfahren. Es ist zutiefst tröstlich für uns, zu wissen: schon jetzt dürfen wir teilhaben an diesem neuen Leben. Weil er, der die Auferstehung und das Leben ist, schon jetzt in uns wohnt.
Liebe Gemeinde! Und da mögen uns auch in Zukunft immer wieder alle möglichen Zweifel und Fragen plagen. Da mögen wir auf diese Fragen nicht immer die Antworten bekommen, die uns befriedigen. Da mögen diese Zweifel auch nicht einfach verschwinden. Das ändert doch nichts daran, dass Christus in uns wohnt, jawohl, in mir und dir, dem zweifelnden, fragenden Menschen. Die Zweifel und Fragen ändern doch nichts daran, dass er dich und mich auch als Zweifler und Frager zu seinem Ziel führt. Dahin, wo es uns einmal endgültig wie Schuppen von den Augen fallen wird, was uns jetzt noch so rätselhaft erscheint. - Eben dies soll uns am Tag des zweifelnden und fragenden Apostels Thomas, wieder neu vor Augen gestellt werden. Amen.
|