Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

7.12.05, 6.56 Uhr, Hermann Pressler

… bis kein Schatten mehr auf unser Leben fällt

Weihnachten kommt zwar von selbst. Ohne mein Zutun. Wenn ich es als Kalenderdatum ansehe, als den 25. Tag im 12. Monat eines Jahres. Aber ob es auch Weihnachten in mir wird,

hängt von einer gewissen Vorbereitung darauf und einer bestimmten Einstellung dazu ab. Dafür ist der Advent da - eine Zeitspanne in der dunklen Jahreszeit, die durch die Erwartung dessen geprägt ist, der sich auf Weihnachten freut.

Worauf ist diese Erwartung gerichtet? Wer oder was bereitet da die erwartete Freude? Die voraussichtlichen Geschenke können doch nicht die Hauptsache sein; auch wenn man das ja durchaus meinen könnte, wenn man sieht, wie gerade in den letzten Jahren das Weihnachts-Geschäft zu einem Gradmesser des Glücks oder – wegen seiner Rückläufigkeit - eher des Unglücks der ganzen Republik hochstilisiert worden ist. Es ist ja wahr, dass wir an Weihnachten „Freude schenken“ sollen – aber was für eine Ver-dinglichung und Veräußerlichung der Freude, wenn wir die nur durch Dinge erzeugen wollten, die wir kaufen.

Weihnachten und die Weihnachtsfreude hat nun ganz und gar nicht zu tun mit Käuflichkeit. Sie wird nämlich in mir und bei anderen nicht hervorgerufen durch mein eigenes Vermögen und meine Kaufkraft, sondern durch das Vermögen und die Kraft Gottes, über die kein Mensch verfügen kann. Die Freude, die Gott bringt, kommt nicht in einem äußerlichen Gegenstand, sondern in einem inneren Geschehen: Nicht die Dinge, die ich habe, vermehren sich, sondern der Mensch, der ich bin, verändert sich.

In der Adventszeit wird die Erwartung der Weihnachtsfreude wohl äußerlich dargestellt. Dazu gehört der schöne und sinnen-fällige Brauch, am Adventskranz nach und nach vier Kerzen anzustecken. Das soll symbolisieren: Wir kommen aus der Dunkelheit und gehen dem Licht entgegen, einem Licht, das unsere Zeit und unser persönliches Leben immer mehr erhellt – bis kein Schatten mehr darauf fällt. Aber das ist ein Vorgang der Allmählichkeit, ich brauche Zeit und ich habe Zeit, mich innerlich darauf einzulassen. –

Ich weiß, dass eine Gesellschaft, die so reich ist, dass sie ihre Städte und Häuser jederzeit hell erleuchten kann und gar schon vor dem ersten Advent die Lichterketten leuchten lässt -, dass wir diese Allmählichkeit, die Symbolik des langsam zunehmenden Lichts, kaum mehr verstehen können. Als etwas, das einen Vor-gang des seelischen, des inneren Lebens widerspiegeln soll.

Als ein Hellwerden in mir.

Dass an Weihnachten Gott in einem Kind geboren wird, darauf richtet sich unsere ganze Erwartung. Die Geburt des Kindes aber ist ebenfalls kein äußerlicher Vorgang, sondern soll sich in meinem Inneren vollziehen. Sie soll als eine Neugeburt der eigenen Seele, des ganzen Menschen empfunden werden können - und die Weihnachtsfreude aus uns hervorbrechen lassen.

Ich werde mir neu geschenkt. Das ist das Geheimnis von Weih-nachten und das ist der Grund unserer Freude. Für dieses Geschenk wird mir Vorbereitungszeit, die Adventszeit, gelassen Zum Beispiel dazu, diesem Neuwerden mich nicht länger in den Weg zu stellen. Mir das Alte in mir abzugewöhnen. Mich eines Neuen zu besinnen.

In einem Adventslied heißt es:

Sprecherin:
„Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen, wo Tod den schwarzen Schatten wirft: Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.“
(EG 20,2)

Audiobeitrag … bis kein Schatten mehr auf unser Leben fällt


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