Eine Gala mit dem heiligen Franziskus
Die Zeit der Wohltätigkeitsbälle hat begonnen, Stars und Sternchen posieren für die Klatschpresse, wo gespendet wird, gibt es Aufmerksamkeit. Von Katastrophen und Tragödien
spricht hier keiner. So hat meine Tageszeitung eine Reportage über Geld für gute Projekte übertitelt Und in der Adventszeit scheint der Appell an die Barmherzigkeit der Menschen ja auf besonders fruchtbaren Boden zu fallen. Diese Charity-Events seien mittlerweile schon inflationär, sagte ein Sprecher des deutschen Spenderates in Bonn. Wohltätigkeit liegt sehr im Trend. Wohltätigkeit hat natürlich eine lange Tradition:
Sprecherin: Es wird berichtet, dass der heilige Franz von Assisi einmal in Rom an die Tafel eines Kardinals geladen war. Es war eine erlesene Gesellschaft, die sich da zusammenfand und Franziskus eine gute Summe für seine Arbeit mit den Armen gab. Die Anwesenden wussten die schönen Dinge des Lebens zu genießen. Gänsebraten und guter Wein wurden aufgetischt, die Tische bogen sich bei der Menge der Speisen.
Autor: Wohltätigkeit ist ein Geschäft. Es funktioniert nach einer stillschweigenden Vereinbarung: Geld gegen Aufmerksamkeit. Die Veranstalter der Wohltätigkeitsbälle für den Kampf gegen Aids oder Krebs, für die SOS-Kinerdörfer, für die Unesco zum Beispiel, die Veranstalter brauchen Gäste, die Geld haben. Die kommen gerne, wenn Prominente da sind, und Prominente kommen, wenn das Fernsehen da ist
Am Ende wollen natürlich auch die Spender gerne dabei beobachtet werden, wie sie Gutes tun also auch ins Fernsehen kommen oder ihr Bild in der Klatschpresse, in Gala und in der Bunten sehen.
Sprecherin: Franziskus sah dies, verließ die Tafel und ging mit seinem Bettelsack in das Quartier der Armen. Da bekam er einen Kanten Brot, dort einen Knochen mit Fleischresten oder einen Strunk abgefaultes Gemüse. Er packte das, was die Armen ihm gaben, in einen Sack. Mit den Gaben der Armen ging er zurück an den Tisch des Kardinals.
Autor: Einer der professionellen Organisatoren eines Wohltätigkeits-balls antwortete auf die Frage, ob bei diesen Versammlungen nicht irgendwann der gute Zweck vor lauter Glamour und Luxus verschwinde: Ob die Leute sich unbedingt den Kopf darüber zerbrechen, wie schlecht die Welt ist, ist zweit-rangig
Sie können Leute, die sich alles leisten können, nicht mit einer Erbsensuppe hervorlocken. Allerdings, so räumte besagter Organisator ein, würden manchmal gelästert, er betreibe nicht Welt-Hunger, sondern Welt-Hummer-Hilfe.
Sprecherin: Das Zechen und Feiern hörte jäh auf. Was hat Franz von Assisi vor?, fragten sich die Gäste. Franz stellte den gefüllten Sack in die Mitte des Speisesaals, öffnete ihn, ging von Tisch zu Tisch und verteilte die Gaben der Armen unter den Prälaten und Fürsten.
Autor: Franziskus, der Anwalt der Armen, was wollte er? Seine Spender provozieren? Ihnen ein schlechtes Gewissen machen? Ihnen Heuchelei unterstellen? Oder denjenigen, die nicht wissen, wie Elend riecht und schmeckt, einen sinnlichen Eindruck davon zu verschaffen? - Kann gut sein, dass für eine Erbsensuppe nie-mand käme und es die 2,5 Millionen Euro Spenden eines solchen Abends dann nicht gäbe.
Und wer will schon ganz ausschließen, dass es unter den Teilnehmern von Events der Barmherzigkeit nicht doch ein paar sind, die sich Gedanken über größere Gerechtigkeit auf der Welt machen?
Eine Gala mit dem heiligen Franziskus
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