Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

10.12.05, 8.56 Uhr, Hermann Pressler

„Also trage deinen Mist“

Dieser Satz gehört in die Adventszeit, wie die Krippe zu Weih-nachten: „Der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, und ich bin nicht würdig, ihm die Schuhe zu tragen.“

Wer morgen, am 3. Advent, einen christlichen Gottesdienst be-sucht, der kann hören, dass vom „Vorläufer“ gesprochen wird.

Wie wir die Adventszeit als Vorlaufszeit auf Weihnachten ver-stehen, so berichtet die Bibel von einem „Vorläufer“, der der An-kunft eines Größeren als er selbst vorausgeht. Die Rede ist von Johannes und Jesus. Vorläufer der eine, Johannes; Vorläufer des-sen, der nach ihm kommen soll - der Messias oder Christus Gottes, also Jesus, der andere.

Wer nicht so bibelfest ist, könnte meinen, Johannes sei eine Gene-ration jünger als Jesus und habe die Geburt Jesu angekündigt. Aber Johannes und Jesus sind Zeitgenossen. Sie haben beide einen Kreis von Gefolgsleuten – Jünger - um sich geschart, sie predigen beide öffentlich. Und was sie sagen, kostet sie Kopf und Kragen. Johannes wird mit dem Schwert enthauptet, Jesus ans Kreuz genagelt.

Johannes ist so eine Art Vorprogramm. Er tauft Jesus im Jordan, und als Jesus den Kopf aus dem Wasser hebt, vernimmt er eine Stimme vom Himmel her, die ihm sagt, er sei „Gottes Sohn“ und Gottes Blick ruhe mit „Wohlgefallen“ auf ihm. Die Szene wird in der Bibel so geschildert, dass nur Jesus selbst diese Stimme hört. Aber Johannes scheint in Jesus den Christus zu sehen, von Gott gesandt, das Reich Gottes zu errichten, die Gewaltherrschaft der Römer zu beseitigen und seine eigenen Volksgenossen, die es an einem gottgefälligen Lebenswandel vermissen lassen; zur Rechen-schaft zu ziehen.
 
Johannes predigt Buße, Umkehr, deren Zeichen ist die Taufe mit Wasser. Wer auf den Christus Jesus wartet, der kann nicht einfach im alten Trott weiter machen, wenn er in Gottes neue Welt kommen möchte. Das ist der Hintergrund, warum in der Kirche der Advent eine Bußzeit ist. Was kaum noch einer weiß, denn unsere Adventszeit ist eher laut als still, wir zeigen uns eher für feuchtfröhliche Adventsfeiern denn fürs Fasten aufgeschlossen, und zur Besinnung kommen in diesen Tagen nur wenige.

Dennoch, Buße ist ja nach evangelischem Verständnis nicht Leichenbittermine und Hohlwangigkeit und nach unten gezogene Mundwinkel. Das würde ja wirklich nicht zusammengehen mit der Weihnachtsfreude, die in der Adventszeit doch schon mitschwin-gen soll. Weil es Weihnachten wird, weil er uns menschlich entge-genkommt, brauchen wir ihm nicht aus dem Weg zu gehen. Buße ist, im Vertrauen all dasjenige auf unserem Weg durch den Advent mit uns zu nehmen, was uns beunruhigt, was wir eh durch keine noch so ausgelassene Adventsparty aus der Welt schaffen können, und es dem Kind in die Krippe zu legen. Damit es daraus etwas mache, was wir uns nicht hätten träumen lassen.

Ein mittelalterlicher Mystiker hat diese – fast möchte man sagen - Buß-Freude mit einem Bild aus der bäuerlichen Welt beschrieben, hören Sie’s zum Schluss:

Sprecherin:
„Das Pferd macht den Mist im Stalle,
und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an sich hat,
so zieht dasselbe Pferd
doch den Mist mit großer Mühe auf das Feld.
Und dann wächst daraus edler, schöner Weizen
Und der edle, süße Wein,
der nimmer so wüchse, wäre der Mist nicht da.

Also trage deinen Mist –
das sind deine Gebrechen, die du nicht abtun,
noch ablegen, noch überwinden kannst, -
mit Müh und mit Fleiß auf den Acker Gottes
in rechter Gelassenheit deiner selbst.“


(Johannes Tauler, zit. nach J. Zink, Dornen können Rosen tragen)

Audiobeitrag „Also trage deinen Mist“


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