Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

10.12.05, 5.56 Uhr, Elke Rudloff

Himmelszelt

In Bochum sammeln sich in diesen Wochen die Sterngucker. Das Planetarium hat nämlich ein extra Programm für die Weihnachtszeit im Angebot. Tausende von Kindern und

Erwachsenen werden dort erwartet. Sie werden fasziniert den Kopf in den Nacken legen und das Firmament beobachten. Von Astronomen können sie dann erfahren, wie der Himmel über Bethlehem wohl aussah, damals als Jesus geboren wurde. Oder welche Sterne die Weisen aus dem Morgenland geführt haben könnten.

Dass der Sternenhimmel auch andere Gefühle als Faszination und Staunen auslösen kann, habe ich auf einer Jugendfreizeit in Italien erlebt. Eines Nachts, als die jungen Leute endlich in ihren Zelten verschwanden, blieb eine junge Frau allein am Strand zurück. Sie schien mir bedrückt zu sein. Ich setzte mich neben sie in den Sand. Über uns funkelte ein zauberhafter Sternenhimmel. Völlig klar, ohne Dunst oder Wolken. Wunderschön, fand ich.

Aber meine Begleiterin fror, obwohl es eine laue Sommernacht war. „Geht es Dir nicht gut?“, fragte ich. „Der Himmel macht mit Angst“, antwortet sie. „Gibt es  da draußen anderes als Kälte, Leere und Einsamkeit?“  Was ich als funkelndes Wunder sah, löste in ihr tiefe Daseinsängste aus. Sie hatte das Gefühl, unbehaust, klein und verloren zu sein.

Wir haben in dieser Nacht lange miteinander über ihre Empfindungen gesprochen, die der Sternenhimmel in seiner unendlichen Größe in ihr wachgerufen hatte.
Am Ende unseres Gespräches erinnerte ich mich an das Gebet eines alten Sternguckers. Das hatte mir einmal Halt gegeben, als ich in einer ähnlichen Stimmung war wie sie.

Dieser Sterngucker sieht den Himmel ganz anders. Nicht als leeren, kalten Raum, der uns ängstigt und klein macht. Für ihn ist der Himmel ein wunderbares Zeichen für die Größe und Herrlichkeit Gottes, über dessen Anblick er jubelt:

Lobe den Herrn meine Seele.
Mein Gott, wie bist du so groß.
Pracht und Hoheit sind dein Gewand.
In Licht hüllst Du Dich wie in ein Kleid
und den Himmel spannst du aus wie ein Zeltdach.
Weit über dem Himmelsozean hast Du Deine Wohnung gebaut.

Alles, was der Sterngucker am Himmel entdeckt, verbindet er mit Gott: Seine Weite, sein Licht und die immer wiederkehrende Verwandlung in Tag und Nacht. Für ihn ist der Himmel ein faszinierendes Schöpfungswerk , das sich in jeder Nacht fortsetzt. So als ob Gott den Himmel immer wieder neu über uns ausspannt. Wie ein riesiges Zelt, unter das wir uns betten können. Nicht verloren, sondern geborgen und sicher.

Ich habe meiner Begleiterin unter den funkelndes Sternen Italiens diese Worte vorgebetet. Nach einiger Zeit legte sie den Kopf in den Nacken und sagte nachdenklich : So gesehen bin ich zwar ein winziger Teil –aber immerhin ein Teil eines wunderbaren großen Ganzen.

 

Audiobeitrag Himmelszelt


Druckversion

Suche

Sendungen der Woche

Sendungen am Sonntag

Sendungen im Fernsehen