Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

20.11.05, 7.45 Uhr, Jens Burgschweiger

Trauer – der Weg vom Tod zum Leben

Zwei Jahre ist es her, daß Petra ihr Kind verlor. „Plötzlicher Kindstod“. Jetzt treffe ich sie mit Kinderwagen im Stadtpark.„Es ist gut, daß wir so schnell ein ein Zweites

bekommen haben“, sagt sie. „Das hilft.“

Monatelang hat sie um alle Mütter mit Kind einen Bogen gemacht. Zu stark waren der Schmerz und die Trauer. In zahllosen Gesprächen suchte sie nach Hilfe, rang immer neu um Antworten:

„In der ersten Zeit konnte ich keinen anderen Gedanken mehr fassen, jedes Gespräch, mein ganzes Leben drehte sich immer nur um den Tod meines Kindes und das „Warum“. „

Wer ein Kind verliert, den zerreißt es. Dem wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Der fragt sich, wieso morgens überhaupt noch die Sonne aufgeht und das Leben seinen Lauf nimmt. Und es gibt nichts, was einen trösten könnte. Wie es letztlich auch keine Antwort gibt auf diese quälende Frage nach dem "Warum".

"Ich wurde fast irre daran", sagt Petra heute, "bis mir in einem Beratungsgespräch deutlich wurde: Diese fast zwanghafte Auseinandersetzung ist notwendig, das ständige Kreisen um die Geschichte ist der Weg, und zwar der einzig mögliche Weg, das zu bewältigen. Weil das, was da passiert, bildlich gesprochen eine Spirale ist, die sich immer weiter hinein dreht in das Zentrum, in die Mitte. In die Mitte meiner eigenen Wahrheit. Irgendwann, wenn die Mitte erreicht sei, würde sie sich wieder heraus drehen, ich selbst würde mich heraus drehen.“

Der Trauerweg - ein Weg zur Mitte. Der Maler Friedensreich Hundertwasser hat das in seinem Bild „Der große Weg“ darzustellen versucht. Eine mit rotem Pinselstrich gemalte Spirale  windet und dreht sich hinein in ein blaues Feld. „Die Spirale ist das Symbol des Lebens und des Todes“, erklärt Hundertwasser dazu.

Durch die Spirale wird das Leben als Weg gedeutet, der sich von seinem Ursprung her entfaltet und sich auf sein Ziel hin bewegt.
Was aber ist dieses Ziel? Woher gewinnt das Leben seine Tod und Trauer überwindende Kraft?

In alten Kathedralen findet sich vor dem Altarraum zuweilen ein Labyrinthmosaik. Es beschreibt den mühevollen Weg mit vielen Wendungen und Umwegen, der dennoch ins Zentrum führt. Der Weg zurück aus dem Labyrinth bedeutet zugleich Loslassen der Vergangenheit und Erneuerung des Lebens. Ein Weg der Erlösung. Weil dieser Weg der Weg Jesu ist - durch den Tod hindurch ins Leben. 

Aber das sagt sich jetzt so leicht. In der Realität ist das alles viel schwerer. So schwer, dass es sich eigentlich nicht mit Worten beschreiben läßt. Denn was es wirklich bedeutet, ein Kind zu verlieren, das kann kein Außenstehender nachvollziehen. Immerhin - es gibt so etwas wie Hoffnung:

"Der Schmerz bleibt“, sagt Petra. „Aber heute weiß ich: Für mich ist er der Weg zu neuem Leben.“

Audiobeitrag Trauer – der Weg vom Tod zum Leben


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