Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

21.11.05, 6.56 Uhr, Max Koranyi

Lebens-Übergänge: Vom Friedhof zurück ins Leben

Das war für manche unter Ihnen, liebe Hörer und Hörerinnen, gestern kein einfacher Weg. Schon der Name des Tages gab schwer zu tragen. Totensonntag. Sie sind zum

Friedhof gegangen. Dort, wo ein Mensch Ihres Leben begraben liegt. Auf dem Weg dahin kamen Ihnen wieder einmal Bilder des gemeinsamen Lebens in den Sinn. Der gemeinsame Urlaub. Die Jahreswende zum Millenium. Ein Opernbesuch. Alles scheint einer anderen Zeit anzugehören. Einer Zeit, die durch den Tod ein Ende gefunden hat.

Was war für die Beerdigung nicht alles zu bedenken gewesen. Zeit zum Trauern blieb kaum. Die meldete sich dann aber umso mehr, als alles erledigt zu sein schien. Wie ein tiefes Brunnenloch war es dann, in das man sich hineingeworfen fühlte. Dunkelheit. Gefühllosigkeit. Ein Sturz aus einem ganz und gar normalen Leben hinaus.

 „Ausgetan aus dem Land der Lebendigen“, nennt es die Bibel. Wie Wasser zu Eis erstarrt, so erstarrt ein trauernder Mensch in der ersten Schockreaktion. Die kleinsten Handgriffe fallen ihm schwer. Und Neid entsteht auf all die anderen, die scheinbar ihr Leben sorglos weiter fortsetzen können. Trauer kann sehr einsam machen. Und: sie vermittelt die unterschiedlichsten Gefühle: Wut auf den Verstorbenen, dass er einen allein gelassen; genauso wie eigene Schuldgefühle, dass man so vieles an ihm versäumt hat.

Und doch ist der Trauerweg durch manche finstere Täler nicht umsonst gewesen. Denn nach vielerlei Bewährungsproben, nach dem Verlaufen auch im Dickicht der Gefühle gibt es am Ende eine Wendung zum Guten. Vielleicht hat die Rückkehr gestern vom Friedhof deutlich gemacht, wie kostbar die gemeinsame Vergangenheit war. Wie dankbar man für die vielen zusammen gelebten Jahre sein darf. Und vielleicht hat das Durchwandern des Trauerwegs auch sichtbar werden lassen, welche Dinge, die für unser Leben wichtig sind, auch für die Zukunft lebenswichtig bleiben. All dies nämlich, wofür es sich lohnt, selber weiterzuleben.

Die Seligpreisung Jesu bringt es auf den Punkt: „Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden.“ In unserer manchmal so genannten Spaßgesellschaft findet öffentliches Trauern und Klagen nur noch selten statt. Dabei ist es für das eigene Überleben unumgänglich. Zum wirklichen Glück findet ein verlassener Mensch immer nur dann, wenn er sich auf den Weg durch die unterschiedlichsten Trauerstationen einlässt. Und dazu gehörte vielleicht auch ganz bewusst der  Besuch am Grab.

Vielleicht haben Sie dort eine Kerze angezündet. Einen Blumenschmuck liebevoll arrangiert. Dann noch einmal bewusst an viele Gemeinsamkeiten zurückgedacht. Und sich vom Versprechen Jesu anrühren lassen, auch in Zeiten der Verlassenheit von ihm nicht allein gelassen worden zu sein. Jesus geht auf den Trauerwegen an unserer Seite, trägt und begleitet auch durch scheinbar unüberwindliche Tage hindurch.

Der Abschied von einem lieben Menschen hat sicher auch  Ihr Leben verändert. Er hat Sie trauern, aber auch wachsen lassen. Er hat Sie endlich dann aber auch in Ihr Leben zurückgeführt mit all den vielen guten Möglichkeiten, die Ihnen neu erschienen sind. Vielleicht war der Rückweg vom Friedhof so etwas wie ein Eintauchen in eine neue, erfüllte Zeit. Mit einem getrösteten Blick nach vorne. In ein Leben, das viel Schönes immer noch bereithält. Das ist es, was ich Ihnen wünsche und worum ich als Christ Jesus auch immer wieder bitten darf. Nämlich den Übergang von der Trauer zum Leben wiederzufinden. 

Audiobeitrag Lebens-Übergänge: Vom Friedhof zurück ins Leben


Druckversion

Suche

Sendungen der Woche

Sendungen am Sonntag

Sendungen im Fernsehen