Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

24.11.05, 6.56 Uhr, Max Koranyi

Lebens-Übergänge: Von der wichtigen Zwischenzeit

Das ist schon eine eigenartige Woche. Irgendwo angesiedelt im Niemandsland. Das eine Land ist schon verlassen. Aber in dem anderen ist man noch nicht so richtig

angekommen. Die Stimmung ist noch völlig unbestimmt. Eben hatte sie sich noch eher dem Düsteren zugeneigt. Hinter uns liegen schwerwiegende Gedenktage: Allerheiligen und Volkstrauertag, Buß- und Bettag und zuletzt der Totensonntag. Alles Tage, die mit Abschied, Trennung, Schmerz und Tod zu tun hatten. Und alle auch irgendwie passend zum graugefärbten Monat November.

Dann kommt diese eigenartige Woche jetzt. Fast könnte man sie als Zeit zwischen den Zeiten bezeichnen. Denn wir wissen ganz genau: Ab Sonntag fängt eine andere Stimmung an. Da geht es dann um einen immer heller werdenden Kerzenkranz , dann die Weihnachtsfesttage, gefolgt schließlich von Sylvester und Neujahr. Tage, die man mit Freundlichkeit, Lebensfreude und Entspannung verbindet.

Für die Kirche hat mit dem letzten Sonntag, der auch den Namen Ewigkeitssonntag trägt, das vergangene Kirchenjahr ein Ende gefunden. Das neue Jahr des Herrn beginnt also nicht mit dem 1.Januar, sondern mit dem 1.Advent, dem kommenden Sonntag. Aber auch die Kirche kennt diese Zwischenzeit. Auch der christliche Glaube kann nicht von jetzt auf gleich von Trauer und Abschiednehmen auf Vorfreude und Geselligkeit umschalten. Dazu braucht es Zwischenphasen, Übergänge - und dazu ist eben diese Woche durchaus geeignet.

Es ist wie auch sonst in unserem Leben: Abschiede von Menschen, von Lebensphasen, von Aktivitäten können wir  nicht einfach überspringen. Sie brauchen Zeit, manchmal mehr als eine Woche, um Altes ruhen zu lassen. Um sich erst dann Neuem  wieder zuwenden zu können. Das Leben z.B. in einer Familie kennt mehrere solcher Übergänge, Grenzbereiche menschlicher Beziehungen. Das Verhältnis zu den eigenen Kindern ist besonders geprägt von immer neuen Konstellationen. 

Der Schriftsteller Erich Fried hat einmal gesagt, in keiner anderen menschlichen Konstellation gehe man ein Verhältnis ein, das vom ersten Tag an auf Trennung angelegt sei - wie in der Beziehung der Eltern zu ihrem Kind. Schon die Geburt markiere das erste Auseinandergehen. Und ich kann mich noch gut erinnern, dass selbst der erste Gang unserer Kinder in den Kinderladen und die Grundschule mit tiefen Abschiedsgefühlen bei uns Eltern verbunden war. Irgendwann sind die Kinder dann ganz aus dem Haus, man dreht sich um - und die Kinderzimmer sind leer und werden nur noch besuchsweise genutzt.

Immer hat es in diesen unterschiedlichen Abschiedssituationen Zeit gebraucht, um das neu entstandene Verhältnis zu verstehen, zu akzeptieren und dann auch leben und gestalten zu können. Eine Zeit so wie jetzt, zwischen Totensonntag und dem 1.Advent. Ich habe dann aber auch erlebt, dass jede neue Konstellation auch wieder neue Verständigungsbereiche geöffnet hat, die vorher so nicht da waren. 

Liebe Hörerinnen und Hörer, diese Woche vor der Adventszeit ist eine  Chance, darüber nachzudenken, was Sie in Ihren Beziehungen abschließen und welche Möglichkeiten Sie für sich ab dem kommenden Sonntag entdecken wollen. Wenn Sie Kinder haben, wird es wahrscheinlich nur dann einen Neuanfang geben, wenn Sie sich von alten Verhaltensweisen verabschiedet haben. Und neue Sichtweisen entdecken und zulassen. Dann fängt in dieser Beziehung auch für Sie am kommenden Sonntag ein gesegnetes neues Jahr des Herrn an.

Audiobeitrag Lebens-Übergänge: Von der wichtigen Zwischenzeit


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