Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

26.11.05, 6.56 Uhr, Max Koranyi

Lebens-Übergänge: Vom Warten auf die neue Welt

Nicht nur Kindern fällt es schwer. Das Warten. Am besten noch mit Geduld. Geduldiges Warten. Nein, sie rutschen hin und her. Können dies und das gar nicht mehr

er-warten. Wir Großen sind nicht besser dran. Warten auf den Zug mit Verspätung: Lange Gesichter auf Bahnsteig sechs. Warten in der Schlange in der sogenannten Agentur für Arbeit. Mit Nümmerchen in der Hand. Oft sinnloses Herumstehen dort. Und dann erst das Warten beim Arzt. Nun hat man schon einen Termin und kommt immer noch nicht dran.

Warten lähmt. Weil man selber nichts tun kann. Höchstens Lesen ein bisschen. Aber das lenkt auch nicht ab. Es gibt aber noch ganz andere Wartezimmer des Lebens. Warten auf den erträumten Partner. Warten auf die Beförderung. Warten auf den erfüllten Urlaub. Warten, warten, warten. Und die Zeit verrinnt.

Nicht nur Kindern fällt es schwer: Das Warten in der Zeit des Advents. Sie möchten am liebsten gleich alles haben. Vier Kerzen und den Weihnachtsbaum gleich mit dazu. Dabei bringt erst das Warten die Schönheit der nächsten Wochen zutage. Man hat eben nicht immer alles gleich. Vieles muss wachsen. Vieles muss sich erst entfalten.

 „Alles hat seine Zeit“ ist ein Gedicht überschrieben. Es lautet: „Selbst Zeiten/haben ihre Zeit/ Wofür Erdbeeren im Winter/Und Ostereier im Herbst/ Warum Lebkuchen ab August/ Und Karneval an St.Martin?/Nur eines ist wirklich immer: Advent.

Advent nämlich bedeutet Ankunft. Und die findet tatsächlich immer statt. Es geht um die Ankunft des Herrn aller Zeit in unser Leben. Jesu Ankunft in den Wartezimmern dieser Welt. Darauf kann man ruhig ein bisschen warten. Er bringt die Erwartung über unsere Alltäglichkeiten hinaus. Er sagt - gerade in den nächsten vier Wochen - : Warte doch einmal auf einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Wir sind mit unseren Wartewünschen tatsächlich viel zu bescheiden: Einen schnellen Termin beim Arzt. Ein geglücktes Rendezvous. Was ist das alles schon im Vergleich zur neuen Welt, die aus dem Himmel herab einmal auf uns zukommen wird? Nehmen wir uns im Advent zum Träumen Zeit. Das ist die beste Nutzung jedweder Warterei. Träumereien einer neuen Welt.

In der es keine Arbeitsagenturen mehr geben wird. Weil alle Arbeit haben. In der keine Einsamkeit mehr existiert. Weil jeder einen anderen dann an der Seite verspürt. In der die Wartezimmer leer bleiben werden. Weil es niemand zum Kranksein mehr drängt. „Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt“, sagt die Bibel.

Es stimmt. Wir sind noch längst nicht da. Aber könnte unser Warten nicht unter diesen Erwartungen ein völlig neues, erfülltes, geduldiges Gesicht erhalten? Für die Kinder und für uns? Stellen Sie sich vor: Morgen beginnt der erste Advent und Sie ärgern sich nicht, dass es nicht schon der vierte ist. Nein, sie entwickeln Geschmack und Genuss für die Zeit des Wartens.

Sie nehmen sich die Zeit zum Bilderentwickeln. Zum Nachsinnen. Den Traumbildern hinterher. Sie genießen regelrecht, dass sie noch nicht da sind. Dass noch vieles aussteht: Vier ganze Sonntage lang. Dann Weihnachten. Dann der Jahreswechsel. Dann ein neu geschenktes Jahr 2006. Alles Geschenke, die kommen werden, auf die wir uns jetzt schon freuen dürfen. Mit den Kindern zusammen. Auf die neue Welt.

Audiobeitrag Lebens-Übergänge: Vom Warten auf die neue Welt


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