Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

22.11.05, 5.56 Uhr, Dr. Sven Keppler

Das Herz schlägt links

„Das Herz schlägt links.“ Dieser Satz von Oskar Lafontaine ist zum geflügelten Wort geworden. „Links“ zu sein ist wieder populär. Eine Partei führt das Schlagwort

Schlagwort sogar neu im Namen. Die Mitte scheint aus der Politik verschwunden zu sein. Man ist Reformer, Radikalreformer, oder eben „links“.

Dabei ist das mit dem Herzen gar nicht so einfach. Sicher, es schlägt links. Aber es kann auch nicht schaden, wenn man das Herz am rechten Fleck hat.

Als evangelischer Christ will ich mir einen eigenen Standpunkt dazu bilden. Ich merke, dass manchmal „mein Herz am rechten Fleck sitzt“. Ein andermal spüre ich es auf der linken Seite ziemlich laut schlagen. Oft bin ich gar nicht mit dem Herzen dabei, sondern bilde mein politisches Urteil allein im Kopf.

Für Martin Luther ist die Frage von rechts und links eindeutig: Der öffentliche Bereich ist für ihn links. Damit ist bei ihm jedoch keine politische Richtung gemeint. Luther unterscheidet zwei Bereiche im menschlichen Leben: Auf der einen Seite alles, was mit Staat, Recht und Wirtschaft zu tun hat. Und auf der anderen Seite der Glaube. Die beiden Bereiche nennt er links und rechts, weil er für sie ein Bild hat: Im öffentlichen Leben handelt Gott oft unerkannt, sozusagen mit der linken Hand. Im Glauben handelt er mit der rechten. Luther denkt hier als Rechtshänder: Worauf es vor allem ankommt, das macht man mit rechts.

Im Glauben entscheidet sich, wer ich bin: Ich bin nicht durch einen blinden Zufall entstanden. Und das gilt für jeden anderen Menschen auch. Gott hat eine Absicht mit mir. Ich soll mein Leben in Freiheit führen können. Frei davon, dass ich durch schlechte Ausgangsbedingungen zum Scheitern verurteilt bin. Frei davon, dass Ängste mein Leben verdunkeln. Frei, diese Welt zu gestalten. Und zu helfen, dass das Leben anderer Menschen lebenswerter wird.

Auf diese christliche Freiheit kommt es an. Sie ist auch in der Politik ein besseres Kriterium als die Schlagworte von links und rechts. Und sie leuchtet nicht nur Christen ein: Die Freiheit ist der Kern der Menschenrechte. Und sie ist mehr als irgendein Wert. Wenn ein Mensch zur Freiheit findet, dann ändert sich sein Leben von Grund auf.
 
In den Farben der Politik ist die Freiheit bunt wie ein Regenbogen: Sie ist rot, weil Armut unfrei machen kann. Es ist ein Alarmsignal, dass die Armut bei Kindern immer mehr zunimmt. Und dass Kinder aus bildungsfernen Schichten in kaum einem Land so selten das Abitur schaffen wie in Deutschland. Wenn es darum geht, Menschen vergleichbare Lebenschancen zu eröffnen, dann ist die Freiheit rot.

Aber die Freiheit kann auch schwarz sein. Für ihre Entfaltung ist es hilfreich, wenn ein Mensch mit Traditionen lebt. Die Freiheit braucht Kinder, an die sie weitergegeben werden kann. Und diese Kinder brauchen Orientierung. Eine Orientierung, wie sie zum Beispiel in der Tradition des befreienden christlichen Glaubens liegt.

Aber die Freiheit hat nicht nur die Farben einer großen Koalition. Die Koalition der Freiheit ist auch grün und gelb. Weil die Umwelt und das Recht als Grundlagen des Lebens beschützt und gewahrt werden müssen.

Mein Herz als Christ schlägt links – für den Bereich zur linken, für das öffentliche Leben. Mein Ziel soll sein, die Freiheit meiner Mitmenschen zu stärken. Egal, welche politische Farbe sie hat.

Audiobeitrag Das Herz schlägt links


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