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St. Martin
Dieser Tage reitet wieder der St. Martin durch unsere Dörfer und Stadtteile, die Martinsumzüge folgen ihm, beobachten den Heiligen Mann, wie er einem am Wegesrand
frierenden Bettler - ohne Zögern und Vorbehalte - seinen halben Mantel schenkt. Gegen die Kälte.
Herbert Knebel, Kabarettist aus dem Ruhrgebiet, hat bereits einen Umzug beobachtet und kommentiert auf seine unnachahmliche Weise:
O-Ton H. Knebel: Und der Höhepunkt (...) ist dann, wennet zu die Teilung von dem Mantel kommt. Hömma, da haben die Blagen gar keinen Respekt mehr. Da brechen alle Dämme. Dann heißt datt nur noch: Gib dem Asi nix! Der Sozialschmarotzer soll arbeiten gehen! Teilen is out!
Bisschen übertrieben vielleicht. Aber eigentlich doch präzise beobachtet. Nicht, dass wir nicht spendeten. Teilen ist nicht out im Gegenteil. Im zurückliegenden Jahr haben die Deutschen soviel wie noch nie gespendet. Insbesondere die Tsunami - Katastrophe in Südostasien hat viele Menschen veranlasst, zu helfen und mit Bedürftigen dort zu teilen. So gesehen ist St. Martin uns ein gutes Vorbild geworden ganz gleich, ob wir katholisch, evangelisch oder ganz unkirchlich sind.
Getrübt wird diese positive Spendenbilanz allerdings durch die Klagen von Vertretern der Wohlfahrtsverbände hier vor Ort in Deutschland. Den Armen vor unserer eigenen Tür ergehts nämlich tatsächlich oft so, wie von Herbert Knebel beobachtet: Wer Sozialleistungen in Anspruch nimmt, steht zunächst einmal unter Verdacht. Unter Missbrauchsverdacht. Wer Sozialleistungen in Anspruch nimmt, fühlt sich oft als müsse er sich in der öffentlichen Meinung erst einmal als wirklich hilfsbedürftig erweisen, so wenigstens berichten es Mitarbeitende in sozialen Einrichtungen, Als müsse man sich vom Sozial - Schmarotzer - Verdacht zum anerkannten Hilfsbedürftigen erst einmal hocharbeiten.
Und viele Betroffene leiden unter der öffentlichen Verdächtigung, jemand zu sein, der das soziale Netz als Hängematte missbraucht. Schnell schleichen sich Gedanken ein wie Der ist doch selber schuld! oder werden sogar ausgesprochen. Vorbehaltlos jemandem seine Hilfsbedürftigkeit zuzugestehen, scheint schwer zu fallen
Daran fehlt es offenbar noch im Land der Spendenweltmeister: An Anteilnahme. Genauer: an vorbehaltloser Anteilnahme gerade für Leid und Not vor der eigenen Haustür.
Auch wenn die Not zumeist nicht so offensichtlich daherkommt, wie in der Martinsgeschichte wo ein Halbnackter am Wegesrand stand und fror..
Bei St. Martin war es der halbe Mantel gegen die Kälte sie erinnern sich: Drum hilf mir doch in meiner Not, sonst ist der bittre Frost mein Tod. Bei uns wärs wohl die Anteilnahme an der Not derer, die z.B. durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes in Not geraten sind.
Anteilnahme ist - es steckt im Wort - auch eine Form von Teilen. Es muss gar nicht ein halber Mantel sein oder Geld oder irgendetwas Materielles sonst. Manchmal reicht es einfach aus, die Not des anderen zu verstehen und ganz gewiss hilft es, wenn wir uns schlichtweg untersagen, bei Hilfsbedürftigen als erstes an Sozialschmarotzer zu denken.
St. Martin
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