Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

25.10.05, 8.56 Uhr, Dr. Barbara Schwahn

Friedliches Zusammenleben

Es ist immer noch da, das mulmige Gefühl im Magen, wenn ich die Rolltreppe zu einem U-Bahn-Schacht hinunterfahre. Das Gefühl, dem ausgeliefert zu sein, was da unten jetzt

passieren könnte. Immer noch fällt es mir besonders auf, wenn ein arabisch anmutender Mensch mit großer Tasche oder Rucksack in die U-Bahn steigt. Ob da wohl eine Bombe drin ist? Ein Selbstmordattentäter? Seit den Anschlägen von London ist sie wieder stärker, diese Angst, die viele seit dem schrecklichen 11. September  begleitet. Und das Misstrauen gegenüber muslimischen Mitbürgern.

Das kann tief in unser Leben eingreifen und uns unseren Alltag vermiesen. Deshalb möchte ich ihnen heute von einer ganz anderen Erfahrungen berichten aus  der Kindertagesstätte unserer Gemeinde in Düsseldorf-Eller. Dort haben wir einen beträchtlichen Anteil muslimischer Kinder, wie in vielen anderen Kitas auch. Das tolle ist: wir haben zwei türkische Mütter, die ihren muslimischen Glauben sehr ernst nehmen und zum Beispiel auch ein Kopftuch tragen, und einen muslimischen Vater im Elternrat. Sie organisieren bei unseren Festen Würstchen aus der Moschee, damit ihre Kinder wie die deutschen Kinder auch etwas vom Grill essen können. Und sie steuern Ihre Spezialitäten zum Büffet bei.

Sie haben ihre Kinder bewusst in eine Kindertagesstätte der Kirche geschickt. Ihre Kinder sollen den Glauben ihrer Freunde kennen lernen. Und dass es im Christentum und im Islam verbindendes gibt, betonen sie auch. Deshalb beten die Kinder nicht nur mit vor den Mahlzeiten, und nehmen an unseren Gottesdiensten teil. Eine Mutter hat letztens sogar eine Fürbitte gesprochen im Gottesdienst. „Gott danken und ihn darum bitten, dass er uns und unsere Kinder beschützt, das können wir doch gemeinsam, oder?“ sagt sie. Deshalb stört sie auch nicht, wenn ihre Tochter abends vor dem Einschlafen bis zum Abwinken „Hallelu, Hallelu, Hallelu, Halleluja, preiset den Herrn“ singt,  ein Lied, was gerade der Renner ist bei den Kindern.

Das ist ein gelungenes Beispiel von Zusammenleben und Integration. Ich freue mich immer wieder darüber, wenn ich das erlebe. Und ich bin sicher, solche Beispiele finden sich zuhauf, wenn wir uns mal genau umsehen. Da ist die türkische Familie, die neu eingezogen ist und wo mir jemand erzählt: „Die Frau kann so gut deutsch und grüsst so nett, wie es viele Deutsche nicht tun.“

Da ist das  türkische Mädchen in der Musikschule, das , wie es für viele deutsche
Kinder zum üblichen Programm gehört,  ganz selbstverständlich jede Woche den Musikunterricht besucht. Und der türkische Musikverein, der in kirchlichen Räumen türkische Kinder unterrichtet. Da ist die türkische Frauengruppe, die Kontakt sucht zu christlichen Frauengruppen. Neulich war eine in unserem Seniorentreff und hat den älteren Damen Kuchen mitgebracht und jeder eine Rose überreicht zu Mohammeds Geburtstag. 

Solche Beispiele halten in mir den Glauben aufrecht: Es gibt eben nicht nur die Seite von Angst und Terror, von Hass und Vergeltung, es gibt auch das friedliche Miteinander in unserem Land, das gegenseitige sich Verstehen. Gut so. Denn es gilt für uns alle in gleicher Weise, was Jesus mal gesagt hat:

Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Audiobeitrag Friedliches Zusammenleben


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