Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

13.10.05, 6.56 Uhr, Julia Neuschwander

Ohne Religion mit Freiheit

Ein Pfarrer, der gegen die Religion wettert. Unglaube sei das, Sache des gottlosen Menschen. Ungewöhnlich aus dem Munde eines Theologen und dennoch wurde er so

etwas wie ein evangelischer Heiliger. Gemeint ist Dietrich Bonhoeffer. Als einer der bekanntesten Theologen des letzten Jahrhunderts hat er nicht nur durch sein mutiges Leben Aufsehen erregt, sondern auch durch seine Lehre.

In der war kein Platz für Religion. Religion sei rein menschengemacht. Von Menschen, die sich selbst an die Stelle Gottes setzen wollen. Sie hätten Gott zu einem Maschinengott gemacht. Wie in einen Automaten wirft man oben die Münze ein, drückt einen Knopf und erhält unten das gewünschte Produkt. Doch der Gott der Bibel entzieht sich solchen Spielchen. Er funktioniert eben nicht wie ein Automat und erfüllt auch keineswegs automatisch alle unsere Wünsche, wie wir uns das so gerne vorstellen. Wer trotzdem daran glaubt, der hat einen anderen Gott als den, von dem die Bibel spricht.

Hintergrund von Bonhoeffers Überlegungen war die Zeit nach 1933, als Nationalsozialisten eine neue Form arisch-germanischer Religiosität bis in die Kirche brachten. Nicht nur, dass sie damals das komplette Alte Testament aus der Bibel streichen wollten. Mit neuheidnischen Praktiken versuchten sie, an die alten Religionen der Germanen anzuknüpfen. Das Christentum war ihnen zu jüdisch und zu schwächlich. Statt dessen wollten sie eine Religion der Stärke und des brutalen Durchsetzungsvermögens. Kein Wunder, dass Bonhoeffer sich dagegen wehrte. Selten waren die Auswüchse menschengemachter Religion so offensichtlich wie zu seiner Zeit.

Menschengemacht. Das war der Kern der Kritik Wo jeder sich seinen eigenen Gott sucht, die eigenen Wünsche und Träume einfach in den Himmel projiziert und das dann Gott nennt... Das gibt es überall auf der Welt, ist aber für die wahre Gotteserkenntnis wertlos. Menschenwerk, ohne Grundlage, außer in menschlichen Hirngespinsten. Das ist Unglaube schlechthin. Mit dem Gott der Bibel hat das alles nichts zu tun.

Für den rechten Glauben betonte Bonhoeffer statt dessen die Distanz zwischen Gott und Mensch. Nur wenn uns klar ist, dass nicht wir Herren über Gott sind, sondern er über uns, dann steht das Gottes-Verhältnis auf dem Boden der christlichen Botschaft.
Gott und der Mensch. Diesen Unterschied können wir auch mit noch so großen Anstrengungen nicht beseitigen. Alle Versuche in diese Richtung sind ebenso hochmütig wie gottlos. Nur Gott kann diesen Graben zwischen ihm und uns überbrücken.
Wer nun befürchtet, der Mensch wäre dadurch geknechtet von Gott, der irrt. Denn ein so von Menschenmeinung unabhängiger Gott befreit. Er befreit Menschen von allem, was gefangen nehmen will. Dieser Gott hat Bonhoeffer frei gemacht und so konnte er den Nazis bis in den Tod widerstehen.

Dietrich Bonhoeffer: Ein Pfarrer, der gegen die Religion wettert. Unglaube sei das, eine Sache des gottlosen Menschen. Nicht nur im Dritten Reich war der nötig. Auch heute kann es gut sein, sich mit kritischer Distanz auf dem Markt der heutigen religiösen Angebote umzusehen.


 

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