Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

26.09.05, 6.56 Uhr, Birgit Winterhoff

Mich hält die Hand des guten Hirten

„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Mit diesen Worten beginnt der 23. Psalm. Er gehört zu den bekannten Stücken der Bibel. Gesprochen an Kinderbetten,

vorgelesen an Sterbelagern - und doch kein Lied für die Grenzsituationen des Lebens. Dieser Psalm ist ein Lied fürs Leben schlechthin - ein Lied vom Vertrauen zu dem einen guten Hirten, ohne den das Leben sein Ziel verfehlt.

"Der Herr ist mein Hirte." Bei diesem Bild spukt in manchen Köpfen die Erinnerung an flötenspielende Schäferburschen und verliebte Schäferinnen, dazwischen schneeweiß gebürstete Schäfchen. Aber das ist nicht die Welt des 23. Psalms. Hier regiert keine gemütvolle Beschaulichkeit. Man muss die Gegend in Israel gesehen haben, aus der der Psalm seine Bilder bezieht. In dem schroffen, unwegsamen Gelände war der ganze Einsatz der Hirten gefragt. 

"Der Herr ist mein Hirte." Die Bibel spricht häufig in Bildern und Vergleichen, damit wir besser verstehen was gemeint ist. So wie gute Hirten für ihre Herde sorgen, so kümmert sich Gott um uns.

Es gab und gibt viele Hirten, die sich Menschen anbieten, damals wie heute. Darunter Führer und Verführer großen Stils. Gerade die Älteren haben erlebt, was passiert, wenn Führer zu widergöttlichen Verführern werden und ein ganzes Volk in die Irre führen.

"Der Herr ist mein Hirte." Wer so betet, schafft sofort klare Verhältnisse: Nur einer ist Hirte, auf seine Stimme sollen wir hören.  Ihm vertrauen wir unser Leben an.
"Der Herr ist mein Hirte,  mir wird nichts mangeln." Das überrascht.

Wir verwenden doch viel Zeit darauf,  anderen immer und immer wieder zu erzählen, wo es uns mangelt, was uns fehlt, wo wir zu kurz kommen.
Hier sieht es so aus, als nähme der Beter den Mund zu voll. Ist er ein hoffnungsloser Optimist? Läuft er etwa mit Scheuklappen durch die Welt?
Sieht er nicht, was um uns herum vorgeht - oder will er es vielleicht nicht sehen?
Keineswegs.

Der 23. Psalm stimmt eben kein Jammerlied an. Er sagt: Wenn Gott, der Herr, mein Hirte, mich führt, dann fehlt mir nichts, auch wenn mir im Vergleich mit anderen manches zu fehlen scheint. Gott hat mich reich gemacht. Ich muss mich nicht ständig mit anderen vergleichen. Ich nehme, was ich habe, aus der Hand des guten Hirten an: Den Platz, an dem ich stehe, die Verhältnisse, unter denen ich lebe, die Veranlagung, die ich mitbekommen habe. Es fehlt mir nichts, weil er mein Leben ist.

„Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir."

Wie jeder gute Hirte, weiß auch Gott den richtigen Weg und das richtige Ziel für mich. Das heißt aber nicht, dass es da nicht auch mal durch finstere und gefährliche Täler gehen kann. Enttäuschungen mit Menschen – vielleicht den nächststehenden –, Erfahrungen von Krankheit und Tod können solche finsteren Täler sein. Kein Licht weit und breit. Aber alle die, die sich Gott als dem guten Hirten anvertraut haben, haben in schwierigen Lebenslagen diese  Erfahrung gemacht: Er geht mit durch alle finsteren Täler. Mich hält die Hand des guten Hirten.

Audiobeitrag Mich hält die Hand des guten Hirten


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