Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

12.09.05, 5.56 Uhr, Antje Rösener

Vertrauen in Gott

Viele Menschen haben einen Lieblingsfilm oder eine Lieblings-Sportart.Manche haben auch ein Lieblingsbuch oder ein Lieblingsgedicht.Guten Morgen, liebe Hörerinnen

und Hörer. Ich habe einen Lieblingspsalm. Den Psalm 139.
Wenn Sie Ihre Bibel aus dem Schrank holen und sie kurz vor der Mitte aufschlagen, dann werden Sie mit ziemlicher Sicherheit auf einen Psalm stoßen.
Vielleicht nicht gleich auf Psalm 139, denn es gibt in der Bibel 150 Psalmen.
150 Lieder, könnten wir auch sagen, Gebete oder Gedichte.

Was mir an den Psalmen gefällt? Da wird kein Blatt vor den Mund genommen.
Da wird gezetert und geflucht, gejubelt und gefeiert.
Es sind Texte, in denen es um was geht.
Wie im richtigen Leben. Da geht es auch um was, denn wir haben ja nur eines.
Deshalb ringen wir täglich neu um Zufriedenheit und innere Ruhe. Deshalb jagen wir dem Glück hinterher.
Die Psalmen erzählen genau davon. Seit fast 3000 Jahren.

Manche sagen, die Psalmen soll man kauen, wie ein Stück Brot.
Man soll ihre Worte nehmen, sie im Mund hin- und herbewegen, sie murmeln. Immer und immer wieder. So wie die Juden das bis heute tun, wenn sie an der Klagemauer in Jerusalem stehen und ihre Gebete murmeln.
Doch wir wollen es nicht übertreiben am frühen Morgen. Eine kleine Hörprobe soll genügen.  Der ganze Psalm 139 hat 24 Verse, das ist zu lang, aber einige Verse können Sie jetzt hören:

Sprecher:
Gott, du erforscht mich und kennst mich.
Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;
Du verstehst meine Gedanken von ferne.
Von allen Seiten umgibst du mich
und hältst deine Hand über mir.
- Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch.
Ich kann sie nicht begreifen.-
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist?
Und wohin fliehen vor deinem Angesicht?
Führe ich gen Himmel, so bist du da;
Bettete ich mich bei den Toten,
siehe, so bist du auch da.
Nähme ich Flügel der Morgenröte
und bliebe am äußersten Meer,
so würde auch dort deine Hand mich führen
und deine Rechte mich halten.

Worte… fast 3000 Jahre alt.

Was mich an den ersten Versen dieses Psalms anrührt, ist das Vertrauen des Beters in Gott - und damit auch in sein Leben, in seine eigene Zukunft.
Er fühlt sich gehalten, geborgen, geführt, begleitet – egal wo: Am äußersten Ende des Meeres, in der Tiefe bei den Toten und in den Höhen des Himmels.
Überall – dieses Gefühl einer großen Sicherheit.

Das wünsche ich mir auch oft: Mich so sicher zu fühlen. So ruhig in die Zukunft schauen zu können.
Leider sind die Momente, in denen ich Gott ohne Wenn und Aber vertrauen kann, selten. Mein Verstand weiß es immer besser.

Wenn ich dann diesen Psalm lese, passiert Zweierlei. Auf der einen Seite beruhigt er mich mit meinen Zweifeln – denn der Beter dieser alten Worte zweifelt ja selbst: „Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar und zu hoch. Ich kann sie nicht begreifen“ sagt er.

Auf der anderen Seite ziehen seine Worte mich weg von meinen Zweifeln. Jeder Vers nimmt mich an die Hand, treibt mich hinein in dieses Vertrauen zu Gott. In diese große Ruhe.
Und das tut einfach nur gut.



 

Audiobeitrag Vertrauen in Gott


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