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Von allen Seiten ...!
Mein Lieblingspsalm ist Psalm 139. Ich habe ja bereits gestern und vorgestern über dieses fast 3000 Jahre alte Gebet geredet.Gestern sind wir über die ersten beiden
Worte nicht hinausgekommen. Gott, Du
so beginnt dieser Psalm. Und dann geht es weiter:
Sprecher: Gott, du erforscht mich und kennst mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es, du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ist das eigentlich schön, wenn mich jemand so gut kennt? Wenn jemand meine Gedanken schon von ferne sieht und versteht? Ist das nicht doch eher unangenehm?
Ich kenne ein Ehepaar, sie sind seit 25 Jahren verheiratet. Vor kurzem erkrankte der Mann schwer. Die Ärzte sagten, er habe nur noch wenige Wochen zu leben. Er stirbt tatsächlich und seine Frau ist völlig fertig. Sie zieht sich von allen zurück. Aber irgendwann hält sie es nicht mehr aus. Sie meldet sich bei einer Kollegin und schon bricht es aus ihr heraus:
Wir haben über die Diagnose der Ärzte kein einziges Mal miteinander gesprochen sagt sie. Es war so furchtbar, aber wir haben die letzten Wochen wie Fremde nebeneinander her gelebt. Nach 25 Jahren Ehe. Ich wusste nicht, wie es ihm geht. Ich hatte solche, Angst, darüber zu reden. Nach seinem Tod fand ich ein paar Aufzeichnungen von ihm. Er hat jeden Morgen gebetet, stand da. Er hat sich an Gott gewendet in seiner Not. Hätte ich das doch nur geahnt, ich hätte ihm so gerne geholfen.
Die Frau leidet daran, dass sie in einer so schweren Lebensphase mit ihrem Mann nicht reden konnte. Dass es ihnen nicht möglich war, Gedanken auszutauschen. Im Nachhinein stellt sie fest, wie alleine er war. Wie alleine sie war. Wie Fremde. Im Nachhinein wünscht sie sich, sie hätten sich mitteilen können, sie hätten Angst weniger gehabt.
Es ist manchmal so, dass wir Menschen gar nicht oder nur schwer miteinander reden können auch in unseren Ehen und Familien ist das so.
Und wenn wir es nicht riskieren in guten Zeiten, dann geht es in Zeiten von Krankheit und Leid auch nicht. Denn im Angesicht des Todes ist besonders schwer, seine Gedanken mitzuteilen, da fällt es niemanden von uns leicht, die rechten Worte zu finden.
Ich stelle mir vor, dass es für den sterbenskranken Mann tröstlich war zu wissen, dass er von Gott verstanden wird auch ohne Worte.
Dass da jemand ist, der seine Gedanken von ferne kennt und versteht. Dies kann jetzt auch seine Frau trösten: Ihr Mann war nicht ganz alleine, er hatte ein DU. Ein DU, zu dem er jeden Morgen gesprochen hat. Ein DU, von dem es in der Bibel, in Psalm 139 heißt:
Sprecher: Gott, du erforscht mich und kennst mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es. Du verstehst meine Gedanken von ferne. Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe so bist du auch da. Von allen Seiten umgibst du mich, und hältst deine Hand über mir.
Von allen Seiten ...!
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