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Wer sind meine Feinde?
Ich weiß, es ist noch früh am Morgen: Nichtsdestotrotz werden Sie jetzt ein paar Sätze hören, die es in sich haben. Auch diese sind aus meinem Lieblinspsalm, dem Psalm 139.
Allerdings sind diese Verse den Kirchen und vielen Christen bis heute unheimlich. So wurden sie in unserem Gesangbuch, wo man Psalm 139 auch finden kann, vorsichtshalber gar nicht erst abgedruckt. Man fürchtete die Reaktionen.
Sprecher: Ach, Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten. Dass doch die Blutgierigen von mir wichen! Denn sie reden von dir lästerlich. Und deine Feinde erheben sich mit frechem Mut. Sollte ich nicht hassen, Gott, die dich hassen Und verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit ganzem Ernst; sie sind mir zu Feinden geworden.
Da geht es zur Sache: Von Gier und Blut ist die Rede, vom Töten und Verabscheuen und gleich dreimal hören wir das Wort: Hassen!
Keine Ahnung, was Sie jetzt denken. Vielleicht hätten Sie solche Sätze eher im Koran vermutet, eher dem Islam zugeschrieben? Vielleicht haben Sie sich über solche Aussagen in der Bibel auch schon mal geärgert und fühlen sich jetzt bestätigt: Das ist nicht meine Sprache, nicht mein Gott. Damit will ich nichts zu tun haben.
In der Tat, solche Sätze hinterlassen zwiespältige Gefühle: Einerseits kenne ich das: Stinksauer auf jemanden zu sein. Mir zu wünschen, er möge von der Bildfläche verschwinden, ich müsste ihn nie wieder sehen. Vielleicht ist das Hass ich weiß es nicht genau. Was mich trotzdem beeindruckt: Auch solche in wahrstem Sinne des Wortes - hässlichen Gefühle werden Gott vor die Füße geworfen. Gott ist nicht nur ein Gott für Friede, Freude, Eierkuchen.
Andererseits: So kann und will ich heute nicht sprechen. Diese Worte stammen aus einer anderen Zeit: Damals vor 3000 Jahren war das mit den Feinden nämlich noch anders: Da gehörten alle zu den Feinden, die nicht von der eigenen Sippe waren, und die deshalb auch nicht den eigenen Gott anbeteten. Von denen ging Gefahr aus, Gefahr für Leib und Leben. Deshalb wird hier alles in denselben Topf geworfen: Die Feinde sind die Blutgierigen, sind die Gottlosen, sind die, die Gefahr bringen.
Das ist heute anders. Menschen, die mir das Leben schwer machen, sind meistens welche, die denselben Glauben haben wie ich und überhaupt: So einfach ist das mit den Feinden nicht. Wer sind denn die Feinde heute? Wer bedroht denn heute mein Leben? Können das auch Krankheiten sein, wie Krebs oder Aids? Können das gesellschaftliche Entwicklungen sein die Gier des Kapitalismus, die Arbeitslosigkeit oder die Umweltverschmutzung??? Können das auch Verhaltensweisen in mir sein? Rücksichtslosigkeit, Egoismus, Arbeitssucht?
Eine Bitte aus dem Vater Unser fällt mir ein: Erlöse mich von dem Bösen heißt es da. Damit übersetze ich mir diese schwierigen Sätze:
Gott, erlöse uns von allem, was unser Leben kaputt macht. Von aller Gier, allem Hochmut, aller zerstörerischen Gewalt. Bleibe dir treu und kämpfe gegen alles, was das Leben auf dieser Erde bedroht. Gott, steh mir zur Seite, wenn es auf mich ankommt, wenn ich gefragt bin, mutig Farbe zu bekennen.
Wer sind meine Feinde?
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