Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

17.09.05, 5.56 Uhr, Antje Rösener

Die Frage nach der Vorherbestimmung

Ein letztes Mal in dieser Woche ein paar Gedanken zu meinem Lieblingspsalm, Psalm 139.Glauben Sie eigentlich, dass es eine größere Kraft gibt, nennen wir sie Gott,

die alles vorherbestimmt hat, was mir, was Ihnen im Leben passiert?

Die weiß, mit welchen Gedanken ich morgen aufwachen werde, was meine Kinder für einen Beruf ergreifen und woran ich sterben werde?

Wenn ja, dann gibt es da ein Problem: Was ist mit unseren bösen Taten, was ist zum Beispiel mit der Mutter in Brandenburg, die ihre Neugeborenen tötete? Alles vorherbestimmt? Etwa von Gott? Konnte sie vielleicht gar nicht anders?

Wenn nein, wird die Sache nicht leichter: Gibt es diesen Gott dann überhaupt, hat er überhaupt eine Macht, wenn er unsere Geschicke gar nicht kennt und gar nicht lenkt?

Eine schwierige Frage. Psalm 139 umkreist sie auf ganz eigene Weise.

Sprecher:

Denn du hast meine Nieren bereitet
Und hast mich gebildet im Mutterleibe.
Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin.
Das erkennt meine Seele.
Es war dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde,
als ich gebildet wurde unten in der Erde.
Deine Augen sahen mich,
als ich noch nicht bereitet war,
und alle Tage waren in dein Buch geschrieben,
die noch werden sollten
und von denen keiner da war.

Sind diese Sätze ein Plädoyer für die Vorherbestimmung?
…Du hast mich gebildet im Mutterleib, Gott…?
Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war…?
Alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten…?

Weiß Gott damit alles? Ist in seinem Buch längst alles niedergeschrieben?
Auch das Böse, was mich ereilen wird und was meinen Händen entspringt???

Der Psalm sagt weder ganz deutlich: JA noch sagt er NEIN.
Er bietet mir - angesichts dieser vertrackten Glaubensfrage - eine vorsichtige Lösung an:

Sprecher:
„Aber wie schwer Gott, sind für mich deine Gedanken“
Wie ist ihre Summe so groß.
Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand.
Am Ende bin ich noch immer bei dir.“

Es gibt Dinge, die ich an Dir, Gott, nicht verstehe – so höre ich diese Sätze.
Was du dir denkst bei all dem Elend auf dieser Welt, all den Katastrophen, allem Bösen –
ich weiß es im Letzten nicht, ich verstehe dich nicht. Ich finde keine Antwort: Wie schwer sind für mich Gott, deine Gedanken!

Was mir bleibt, ist die Möglichkeit, Dir trotzdem, trotz allem zu vertrauen.
Dazu lädt mich der Psalm ein.

Mit ganz wenigen schlichten Worten, die mich persönlich immer wieder rühren.
Denn schlichter und einfacher kann ich meinen Glauben nicht beschreiben:
„Am Ende bin ich noch immer bei dir!“
.

Audiobeitrag Die Frage nach der Vorherbestimmung


Druckversion

Suche

Sendungen der Woche

Sendungen am Sonntag

Sendungen im Fernsehen