Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

12.09.05, 8.56 Uhr, Präses Alfred Buß

Blau

Montagmorgen und der Wecker klingelt mal wieder viel zu früh. Jetzt blau machen, denkt er bei sich, aber die Pflicht ruft und so steht er auf. Wir sprechen vom blauen

Montag, weil es bei manchem noch nicht wieder rund läuft und er besser im Bett geblieben wäre.

Deshalb gibt’s am blauen Montag die so genannte Montagsproduktion.

Vor Jahren hatte ich solch’ ein Montagsauto. Es war voller Macken und Mucken; mit dem konnte ich mein blaues Wunder erleben. Es konnte mich richtig ärgern, wenn aus unerfindlichen Gründen wieder alle Scheiben beschlugen, die Batterie den Geist aufgab oder das Bremslichtbirnchen zum x-ten Mal durchbrannte.

Aber dann brachte es mich auch zum Schmunzeln, denn irgendwie habe ich mich in dem Auto wieder erkannt:
Im Grundsatz solide und zuverlässig, doch undurchschaubar in Macken und Mucken, mit vielen Schwächen, weichen Stellen und dünner Haut.

In der Schule gab’s dafür blaue Briefe; und oft genug bin ich im Leben mit einem blauen Auge davon gekommen.
Aber darin habe ich auch gelernt:
Du musst nicht perfekt, du musst kein besonderer Mensch sein. Du brauchst auch kein blaues Blut. Du hast Würde, weil du ein Mensch bist.

Du bist Gottes Geschöpf, vom Schöpfer als sein Ebenbild mit
unantastbarer Würde geschaffen.

Und Gott blies dem Menschen den Atem des Lebens in die Nase, heißt es in der Schöpfungsgeschichte (Gen 2,7). Alles Leben teilt den Atem Gottes und macht uns zu lebendigen Wesen. Sein Atem verbindet uns mit allen Kreaturen und der ganzen Schöpfung.

Blau ist die Farbe der Luft und des Wassers. Blau ist das Firmament. Und wie eine wunderschöne zerbrechliche Glaskugel schwebt der blaue Planet vor der schwarzen lebensfeindlichen Tiefe des Alls. Wenn ich das sehe, spüre ich, wie einzigartig und kostbar diese Erde ist. Wie einzigartig und kostbar alles Leben. Und wie verletzbar.
Die Erde, das Leben und die Würde eines Menschen sind antastbar, denn sie können verletzt werden – und wie!

Dies Kind soll unverletzet sein, sang meine Mutter einst zum Einschlafen.
Diesen Wunsch haben wir auch unseren Kindern gesungen.
Unverletzt soll nicht nur ihre Seele sein, sondern die ganze Welt.  Unverletzt soll sein: Die Luft, die sie atmen. Das Wasser, das sie trinken. Das Klima, dem sie ausgesetzt sind.

Wir können die Menschenwürde, die Luft, das Wasser, das Leben, ja den blauen Planeten nicht selber herstellen. Alles wurde uns geschenkt. Wir müssen es mit Ehrfurcht behandeln.

Ehrfurcht hat nichts mit Angst zu tun, sondern mit Achtung vor dem Leben. Ehrfurcht ist die Scheu, dem Leben zu nahe zu treten, weil alles Leben eine Herkunft und einen Hintergrund hat, die sich unserem Zugriff entziehen. Wer davon überzeugt ist, wird verantwortungsvoll mit der Schöpfung umgehen beim Einkaufen, auf Reisen in Arbeit und Freizeit. Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will. Ehrfurcht erfordert Mut, sich für das Leben einzusetzen, um es zu bewahren.
 
In diesem Sinne wünsche ich uns allen, liebe Hörerinnen und Hörer, einen guten blauen Montag und eine farbenprächtige Woche.

 


 

Audiobeitrag Blau


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