Schwarz
Den Schwarzen Peter wollte keiner haben. Wer ihn am Ende doch hatte, bekam einen schwarzen Strich auf die Nase. Das war lustig auf Kindergeburtstagen. Damals.
Jetzt sind wir erwachsen, doch das Schwarze-Peter-Spiel ist mit der Kindheit nicht zu Ende. Es geht weiter das ganze Leben lang. Jemand erfährt es immer wieder: Du hast verloren. Es mal wieder nicht geschafft. Du kannst nichts. Du bist nichts. So wird Mut beschädigt, das bisschen Selbstvertrauen zerstört. Demütigungen machen klein. Erniedrigung verwundet die Achtung vor sich selbst und vor anderen.
Schwarz ist die Farbe der Hoffnungslosigkeit und Trauer.
Ich möchte Leuchtturm sein in Nacht und Wind, für Dorsch und Stint, für jedes Boot und bin doch selbst ein Schiff in Not.
So dichtete Wolfgang Borchert.
Obwohl wir wie ein Leuchtturm strahlen möchten, um anderen in der Dunkelheit den Weg zu weisen, fühlen wir uns wie ein Schiff in Not. Immer, wenn wir vergeblich auf Besserung hoffen. Wenn Schuld uns quält oder Trauer unser Herz verdunkelt. Es gibt Zeiten, in denen wir mit dem Echo des Tages allein sind und schwarze Nächte durchwachen müssen, in denen die Angst haust. Die Gegenwart wird dann dunkel und verzweifelt, wenn das Gefühl vorherrscht: es wird nie mehr anders. Dieses Gefühl ist die schlimmste Anfechtung. Ist ein Gefängnis ohne Licht. Eine Grube ohne Ausblick.
Dann kommt zur Dunkelheit noch die Einsamkeit. Bleibet hier und wachet mit mir, wachet und betet. (Mt 26,38b) So bat Jesus seine Freunde im Augenblick größter Not. Aber dann haben auch die letzten, wenigen Freunde das sinkende Schiff verlassen.
Dann mag auch Gott dunkel werden. Und Fragen quälen unsere Seele: Wo ist nun Gott? Warum antwortet Er nicht? Warum schweigt Er so unheimlich still wie das schwarze Grab? Warum? Mein Gott, warum hast Du mich verlassen? (Ps 22) (Pause)
(weich) Schließe die Augen und lass dich fallen. Verlass deine Angst, damit du spüren kannst: Du wirst nicht tiefer fallen als in Gottes schützende Hand.
Schwarz ist auch die Farbe der Feierlichkeit. Und wir Christen haben einen Grund zu feiern; allem Leid zum Trotz!
Seit dem schwarzen Karfreitag schauen wir auf den gekreuzigten Christus. Da ist Gott. Er hat uns nicht verlassen. Im Gegenteil. Er ist bei uns, gerade in tiefster Not. Er teilt unsere Schuld. Er teilt unseren Tod, denn er weiß, was leiden heißt. Er geht den Weg unserer Trauer vor uns her. Und wir folgen ihm. Durch die Dunkelheit. Auf dem Weg ins Licht. Zur Auferstehung.
Auf diesen Menschen sollst du zeigen und sprechen: das ist dein Gott, sagte Martin Luther. Denn der Gekreuzigte lebt. Er hat das Kreuz überwunden und ist auferstanden. Er ist da. Nur ein Seufzen weit, ein Gebet weit von deiner Not entfernt.
Ich wünsche uns allen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, dass wir so beten können. Immer dann, wenn uns das Schwarze-Peter-Spiel wieder einmal einholt.
Schwarz
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