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St. Martin
Zu den Wahlversprechen, die in Nordrhein-Westfalen tatsächlich eingelöst werden, gehört, dass wir die Reiterstaffeln der Polizei wieder kriegen. Von der Regierung aus
Düsseldorf ist zu hören, dass die Truppe bei der Fußball-WM nächstes Jahr zum Einsatz kommt und außerdem die Polizei demnächst hoch zu Ross ihre Präsenz in den Innenstädten verstärken soll. Ob nun am Ende die armen Tiere wirklich auf randalierende Fans losgelassen werden oder bloß in den Fußgängerzonen im Weg stehen ich weiß eine viel bessere Einsatzmöglichkeit. Seit Jahren merke ich, dass in den einzelnen Ortsteilen meiner Stadt die St.Martins-Züge ausfallen. Es gibt keine Pferde mehr.
Das finde ich nicht gut. Damals über die Martinszüge haben wir als Kinder eigentlich zum ersten Mal eine Ahnung davon bekommen, dass es arm und reich gibt und dass der Reiche so was wie eine moralische Pflicht hat, mit dem Armen zu teilen. Das ist heute wieder wichtig, wo den Benachteiligten signalisiert wird: Sieh mal selbst zu, wie du klar kommst.
Ich finde, Kinder sollten was anderes lernen. Dafür müsste St. Martin allerdings halbwegs glaubwürdig funktionieren. Letztes Jahr habe ich einen Laternenzug beobachtet, dem ein mickriges Holzpferd auf vier Rollen voran gezogen wurde. Gut, immerhin fand der Umzug statt.
Unbefangene Beobachter konnten sich allerdings nicht sicher sein, ob nicht der heilige Mann und der arme Mann ein und dieselbe Person waren. Kurzum: hier wird nichts so dringend gebraucht wie echte Pferde. Und wenn sich an dieser Stelle in ein paar Wochen die wieder eingeführten Reiterstaffeln der nordrhein-westfälischen Polizei nützlich machen, dann solls mir recht sein.
Sprecher: Michael Birgden, Köln
St. Martin
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