Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

30.08.05, 7.50 Uhr, Dr. Gerd Höft

Problemfall Gerechtigkeit

Gerecht soll’s zugehen in der Welt, nicht wahr, liebe Hörerinnen und Hörer. Klar, darüber sind wir wohl alle einer Meinung. nur, wenn wir mal ganz konkret in ein

Menschenleben blicken, vielleicht sogar in unser eigenes, da ist dann  nicht mehr ganz so klar was denn da  „gerecht“ bedeutet. Ist es gerecht dass ich eine Arbeit habe und mein Nachbar keine, ist es gerecht, dass ein guter Freund mit gesunder Lebensweise in jungen Jahren an Krebs erkrankt, während der dauerqualmende Quartalssäufer aus dem Nachbarblock noch mit 72 fit genug ist, seine beklagenswerte Familie zu tyrannisieren.

Gerechtigkeit das sieht man, ist keine leichte Sache. Sie vergleicht und stellt ein Ungleichgewicht fest. So etwas lieben wir nicht. Wir lieben die ausgleichende Gerechtigkeit. Die wieder ins Lot bringt. Jeder bekommt, was er verdient, das Gute wird belohnt, das Böse bestraft, der Tugendhafte in den Himmel, der Lasterhafte in die Hölle. Aber was heißt das schon: soll der Gesunde wenige gesund werden damit der Kranke weniger krank bleibt. Ist das gerecht? Soll der Reiche bankrott machen, damit der Arme seinen goldenen Topf findet? Ist das gerecht? Und wer, bitte schön, soll für die ausgleichende Gerechtigkeit sorgen?

 Da fällt uns niemand ein oder? Klar, den Christen unter uns schon: Gott, natürlich. Mit dem sind wir dann schnell bei der Hand. Aber der stellt unser Gerechtigkeitsempfinden ja doch auch hart auf die Probe. Ungerechtigkeit doch überall wohin ich blick. Und da muss ich gar nicht weit blicken. Schon ein Blick in die Nachbarschaft oder Familie reicht doch, oder?

Wie schön, wenn uns da ein Gleichnis aus dem Munde Jesu die Lösung all unserer Gerechtigkeitsprobleme verheißt. Und damit sind wir nach einem zugegeben langen Anlauf wieder bei dem Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus, das ich Ihnen gestern schon einmal auf die Schnelle erzählt hab. Dort war’s klar. Im Jenseits wird alles geregelt: hier reich – dort arm. Hier krank – dort gesund. Hier gequält – dort verwöhnt. Und wer sorgt dafür: Gott. Also mir ist nicht wohl dabei. Wäre es so, dann wäre Gott ja  nur so etwas wie ein Kippschalter, der im Tod einfach umgelegt wird; automatisch: Reich/arm. Krank/gesund. Belohnt/bestraft. Nein, so handelt Gott nicht.

Denn das hieße ja, Gott interessiert sich überhaupt nicht für uns Menschen, nicht wie wir wirklich sind, was wir denken, tun, wie wir leben, wie wir uns mühen, wie wir kämpfen und scheitern, fallen und wieder aufstehen, wie wir uns freuen über all das Gute, und wie wir nicht nur neidisch auf die andern blicken. All das soll nicht gelten? Einmal gebrandmarkt immer gebrandmarkt? Hier der miese fiese Reiche dort der elende hehre Arme. Die Rollen ein für allemal verteilt.

Nein. so geht das Gleichnis aus der Bibel nicht auf. Möglicherweise geht’s ja gar nicht um arm und reich und um die ausgleichende Gerechtigkeit.  Denn das Gleichnis steckt schon voller Merkwürdigkeiten. Eine davon: Der Reiche hat keinen Namen, der arme schon. Ist Ihnen das aufgefallen? Das hat sicher etwas zu bedeuten. Der Frage gehe ich morgen nach.


 

Audiobeitrag Problemfall Gerechtigkeit


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