Der Reiche und sein Problem
Die Geschichte fängt an, wie ein schönes Märchen endet. Nachdem dort, also im Märchen, alle Prüfungen bestanden sind, alle Not eine Ende und die Liebe
gesiegt hat, das Unrecht bestraft und die Gerechtigkeit gesiegt, da schauen uns die Märchenhelden an, mit denen wir gezittert haben, endlich gekleidet in Purpur und kostbares Leinen und nicht mehr in Sack und Asche, und es heißt weiter: und sie lebten alle Tage herrlich und in Freuden.
Bloß nicht bei der Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus. Wer die Geschichte kennt und weiß, wo der Reiche schließlich landen wird, dem muss die Eröffnung schon wie eine Drohung nahenden Unheils vorkommen: Es war ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
Tja, liebe Hörerinnen und Höre, was soll er denn sonst tun? Soll er zerlumpt und schmutzig daherlaufen und so tun, als hätte er nichts anzuziehen? Soll er betteln gehen und trockenes Brot essen. Soll er tun als sei er arm?
Blödsinn. Der Reiche verhält sich ganz normal. Jeder soll so leben, wie es ihm seine Umstände erlauben. Reiche leben eben wie Reiche, nämlich herrlich und in Freuden. Was ist daran falsch? Nichts.
Es ist noch nicht so lange her, da lebten im Ruhrgebiet die großen Stahlbarone mit ihren Familien und führten - wie man so sagt - ein großes Haus. Einige holten ihre Arbeiter und deren Familien aus den Slums der Städte und bauten ihnen auf eigene Kosten kleine Häuschen. Männer und Frauen bekamen Arbeit in ihren Villen als Personal. Sie schafften das, was heute kaum noch ein Industrieunternehmen schafft, nämlich eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsplätze und damit für viele Lohn und Brot. Aber halt nur solange wie sie selber herrlich und in Freuden leben konnten.
Wäre der Reiche nicht reich, wäre Lazarus viel früher an Hunger und Krankheit verreckt. Wer also das Gleichnis vorschnell als Kampf reich gegen arm begreift und es dann auch noch als Lehrstück für die Gerechtigkeit Gottes ausgibt, handelt fahrlässig. Es geht nicht darum, ob Reichtum an sich schädlich, ob der Reiche an sich also immer der Schurke ist, nein.
Die wichtige Frage ist die: Was machst du mit deinem Reichtum und mit dem Elend, das vor deiner Tür liegt? Duldest du das Elend? Sagst du vielleicht, da kann man doch nichts machen. Und schaust weg?
Genau diese Haltung bringt unseren namenlosen Reichen in die Hölle. Er hat nicht kapiert: auch sein Reichtum ist ein Geschenk und kommt von Gott. Er hat nicht verstanden: jedem Reichtum wohnt ein göttlicher Auftrag inne: eine soziale Verpflichtung. Reichtum ist kein Selbstzweck. In der Hand des Reichen soll er der Minderung des Elends dienen. Ein Leben herrlich und in Freuden sei jedem gegönnt, solange er nicht die Augen vor dem Elend vor seiner Tür verschließt. Vor jeder Haustür eines Reichen liegt bis zum heutigen Tag ein armer Lazarus. Und der ist die einzige Chance für den Reichen, der Hölle zu entgehen. Das war das einzige, was unser Reicher nicht verstanden hat und er hat das bitter bezahlen müssen. Zu spät gehen ihm die Augen auf, aber sie gehen ihm auf und da hat er noch eine Frage an den Himmel. Davon morgen mehr.
Der Reiche und sein Problem
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