Unbezahlte Arbeit ist mehr wert
Ferienbeginn. Endlich ausschlafen, Nichtstun. In den Tag hineinleben. Welch ein Luxus! Ein Luxus, den momentan rund 5 Millionen Deutsche täglich genießen. Der Genuss sich
in ihrem Leben aber nicht so recht einstellen will.
Sie sind außen vor. Raus aus dem Spiel um gesellschaftliche Macht und Anerkennung. Sie haben nicht nur ihre Arbeit verloren, sondern auch das, was ihrem Leben Struktur gegeben hat, Halt, vielleicht auch Sinn. Und das ist vielleicht viel schmerzlicher als die finanziellen Einbußen.
Nun stehen sie vor einem riesigen Berg an Zeit. Einst kostbare Zeit, die plötzlich wertlos geworden ist. Körper und Seele leiden. Die Politik reagiert. Nicht, indem sie versucht, das Leid zu mindern, sondern indem sie die Daumenschrauben immer fester anzieht, Druck ausübt, Leistungen kürzt.
Doch durch das Hartz IV Gerangel kommt noch ein ganz neuer Gedanke ins Spiel: Es gibt genug Arbeit für alle! Diese fast paradiesisch anmutende Aussage bedarf nur eines veränderten Blickwinkels:
In Zeiten knapper Kassen werden in fast allen sozialen Einrichtungen massiv die Gelder gestrichen. Die Folge: Hilfsbedürftige, Arme, Kranke erfahren nicht in dem Maß Hilfe, wie sie es dringend brauchen.
Klar, dass sich soziale Einrichtungen freuen, wenn sich Menschen melden, die freiwillig mitarbeiten wollen. Nur bezahlen können sie diese nicht. Ein höchst unattraktives Angebot also? Die Freiwilligenarbeit?
Arbeitslosenforscher haben herausgefunden, dass derjenige wesentlich weniger unter seiner Arbeitslosigkeit leidet, der in der Lage ist, nach Alternativrollen Ausschau zu halten. Welche Rollen das sind, das mag im Leben des Einzelnen völlig unterschiedlich sein:
der eine pflegt einen kranken Familienangehörigen, ein anderer arbeitet bei der Hausaufgabenhilfe mit. Wieder ein anderer hilft bei der Suppenküche für Arme, während ein Vierter sich in einem Hospiz für Kinder engagiert. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Sicherlich hat nicht jeder das Bedürfnis, sich um andere zu kümmern, etwas von dem zu verschenken, was er im Überfluss besitzt. Doch es gibt immerhin viele, denen das ein Bedürfnis ist. An Arbeit, wie gesagt, mangelt es nicht. Nur bezahlt wird diese Arbeit nicht. Doch ist sie dadurch gleich weniger wert? Wohl kaum.
Es kann wohl nicht hoch genug wertgeschätzt werden, wenn jemand freiwillig dahin geht, wo Menschen leiden. Kostenlos seine Energie einsetzt, belastende Bilder mit in den Schlaf nimmt.
Eine politische Lösung für das immense Arbeitslosenproblem ist Freiwilligenarbeit sicherlich nicht. Doch da mittlerweile Einigkeit darüber besteht, dass sich in der Normalbiografie der Zukunft Phasen von Arbeit und Arbeitslosigkeit abwechseln werden, würde sich vielleicht ein Umdenken lohnen. Und zwar in die Richtung, dass bezahlte Arbeit keineswegs weniger wert ist als unbezahlte Arbeit.
Denn letztlich ist es ein schönes Bild: jeder schmeißt wenn auch nur phasenweise - etwas in den großen Topf: das, was er am besten kann, das, was er im Überfluss besitzt. Für den einen ist das gelebter christlicher Glaube, für den anderen religionsübergreifende Nächstenliebe. In jedem Fall aber ist die Summe daraus der Kitt, der eine Gesellschaft zusammen hält. Und auch der Einzelne hat womöglich etwas Großes und Bedeutsames gewonnen: sein Leben ist wieder erfüllt: mit Aufgaben, Struktur und Sinn.
Unbezahlte Arbeit ist mehr wert
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