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Ruanda- Menschen wie du und ich
Manche Dinge sind unbegreiflich. Selbst für diejenigen, die sie erlebt haben. Für Esther Mujawayo zum Beispiel, aus Ruanda. Die große schlanke Afrikanerin mit der sanften
Stimme und dem leisen Lächeln, ist durch die Hölle gegangen. Damals, als 1994 in nur 100 Tagen rund eine Millionen Menschen in dem kleinen westafrikanischen Land umgebracht wurden. O-Ton: Gott du bist groß, du bist allmächtig, mach doch etwas! Und es war ein Moment, wo wir haben gedacht: Gott ist auch weg. In unsere Sprache wir haben dieses Sprichwort, das sagt: Den ganzen Tag geht Gott spazieren, aber abends er kommt immer zu Hause, weil zu Hause für Gott ist Ruanda, weil es ist das schönste Land!
Autorin: Eine trügerische Schönheit, denn es wurde zum Land der Massengräber und Ruinen. Keinem von uns ist Gott fern, heißt es im biblischen Spruch für den Monat Juli in der Apostelgeschichte. Für Esther Mujawajo klangen solche Sätze lange Zeit wie Hohn, denn als Angehörige der Tutsi-Minderheit gehörte sie zu den Opfern der mordenden Hutu-Milizen. Sie verlor ihren Mann und viele Familienangehörige, darunter auch den Vater. Er wurde von den eigenen Nachbarn zusammen mit anderen in der Dorfkirche getötet.
Musik (wie oben): Turirimbe! Ruanda. 02. Track 3, Amahoro (Trommel-Intro) frei ca. 5 , CD: LC 09693, 2002 Entercom Saurus Records e.K. Autorin: Für Esther Mujawayo folgte ein langer, schmerzlicher Prozess voller Verzweiflung und Rachegedanken. Heute wohnt sie mit ihren drei Töchtern in Neukirchen-Vluyn, wo sie erneut verheiratet ist und als Therapeutin mit Flüchtlingen im Psychosozialen Zentrum in Düsseldorf arbeitet.
Die unvergessene Vergangenheit hat sie in einem Buch verarbeitet. Ein Leben mehr so der Titel des Buches, das im Frühjahr in Deutschland erschienen ist, zeitgleich mit den beiden Kinofilmen Hotel Ruanda und Sometimes in April, die bei der Berlinale Aufsehen erregten. All das Versuche, das Unbegreifliche zu begreifen:
O-Ton: Die ganze Buch, ich versuche das zu erklären, ich versuche immer, zu verstehen. Es waren nicht wilde Afrikaner. Die Leute, die haben den Genozid gemacht, sie sind wie du und ich!!! Sie sind ganz normale Leute! Und das ist erschreckend für mich. Wie kann man verstehen, dass ein Lehrer ermordet die Schülerin? Autorin: ... dass Nonnen Flüchtlinge abweisen und die Nachbarin zur Mörderin mit der Machete wird? Wenn du überleben willst, musst du auf das sehen, was dir geblieben ist, und nicht auf das, was du verloren hast, dieser Satz wird für Esther Mujawayo zum Schlüssel des Überlebens. Immerhin leben ihre drei Kinder noch, sie hat ein Haus und einen Beruf als Soziologin. Ihr Lebenswille kehrt zurück. Mit 38 Jahren macht sie eine Ausbildung als Therapeutin, um anderen Witwen des Völkermordes zu helfen, von denen viele wegen der unzähligen Vergewaltigungen HIV infiziert sind. In der Selbsthilfe-Organisation Avega beginnt sie Herzen zu pflegen, wie sie es nennt. Das hilft ihr mit den eigenen Traumata umzugehen und auch einen neuen Zugang zum Glauben zu finden. Keinem von uns ist Gott fern- die Zwiespältigkeit bleibt, wie Mujawayo in ihrem Buch erzählt. Und doch erinnert sie sich auch an kleine bewegenden Details wie das geschenkte Tragetuch für ihr Baby oder den Soldaten, der ihr einen Fluchtweg zeigte. O-Ton: Durch die ganze Unmenschlichkeit ich habe immer Menschlichkeit gesehen. Es gibt immer Leute, die sind Leute, die sind Mensch, die bleiben Mensch. Und das gibt Hoffnung. Ich versuche, Hoffnung zu haben. Ohne Hoffnung wir sterben, ja. Literaturhinweis: Esther Mujawayo: Ein Leben mehr. Zehn Jahre nach dem Völkermord in Ruanda.Peter Hammer Verlag, Wuppertal 005, 360 Seiten, 19.90 Euro.
Infos im Internet: www.avega-ruanda.de.vu/
Ruanda- Menschen wie du und ich
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