Modellprojekt Jugendkirche
Soundcheck in der Jugendkirche Hannover kurz vor dem wöchentlichen Gottesdienst am Sonntagabend um 18 Uhr. Eine akzeptable Zeit für Jugendliche, die Sonntag morgens lieber
ausschlafen, als müde in einer Kirchenbank zu hocken - wenn sie überhaupt kommen. Während der Jugendpastor mit seiner Gitarre vor dem Altar auf einem Barhocker sitzt, hantiert seine Kollegin am Mischpult. Die Glocken läuten wie zu jedem normalen Gottesdienst, traditionell geht es hier trotzdem nicht zu und deshalb kommen die Jugendlichen, im Schnitt etwa 40 pro Gottesdienst.
O-Ton: Es ist eine andere Form des Gottesdienstes, die sehr interessant ist, man weiß nie genau, was auf einen zukommt, man wird manchmal selber etwas eingebunden, man kann mitdiskutieren im Gottesdienst, weil es ja eben eine andere Form ist, wo nicht nur von oben herab gepredigt wird. O-Ton: Zweimal war ich jetzt schon hier oder dreimal, ich hab das im Schaukasten gesehen und einfach mal so reingeguckt - - sind nicht so langweilige Kirchenbänke zum Beispiel, also die Atmosphäre ist lockerer.
Autorin: Attraktiv sein für kirchenferne Jugendliche - um das zu erreichen, hat der Evangelische Stadtkirchenverband Hannover für den Umbau einer normalen Gemeindekirche 670.000 Euro ausgegeben, trotz Finanzknappheit. Im September 2004 wurde die Lutherkirche in der Nordstadt zur Jugendkirche Hannover und damit zu einem der wenigen Modelle in ganz Deutschland. Musik Zeichen der Zeit, Track 8, Paddy Kelly: Pray, pray, pray
Autorin: Die steifen Kirchenbänke sind komplett rausgeflogen und haben vielen roten Sitzkissen Platz gemacht. Außerdem gibt es ein Cafe im gläsernen Kubus für Leute, die erstmal ein bisschen Distanz haben wollen. An der Decke moderne Beleuchtungstechnik für Discoabende, Theater oder Konzerte. In erstaunlicher Harmonie übrigens mit Orgel, Kanzel und Altar, die ihren Platz behauptet haben - auch weil junge Leute im Planungsausschuss es so wollten.
Können sich Jugendliche in anderen, traditionelleren Kirchen überhaupt noch zu Hause fühlen? Jugendpastor Torsten Pappert:
O-Ton: Ich glaube schon, dass sie integrierbar sind. Aber die Alltagskultur und das, was bei uns im Gottesdienst als Kultur da ist, hat sich sehr voneinander entfernt. Und da ne Brücke zu schaffen das ist noch vor dem Integrieren vielleicht dafür gibts Jugendkirche.
Autorin: Denn für Experten ist schon lange klar: Wenn junge Leute sich in der Kirche wohl fühlen und die Bibel neu entdecken sollen, dann muss die Kirche sich auf ihre (!) Kultur einstellen! Nicht umgekehrt. Und zwar in allen Lebensbereichen: Sprache, Musik, Mode und Lebensstil. In Oberhausen hat das katholische Bistum Essen schon Ende 2000 eine solche Jugendkirche gegründet.
Allerdings muss es nicht unbedingt eine Kirche sein. Das zeigen andere Jugendgemeinden, die in NRW entstanden sind. Im evangelischen Weigle-Haus in Essen etwa. Hier gehören Internetcafe, Sporthalle und Straßensozialarbeit ebenso zu den Angeboten wie Bibelgespräche und Gottesdienste. Jugendevangelist Tobias Klug:
O-Ton: Ich sag vielen Leute, die zu uns kommen in die Jugendarbeit: Gott war schon länger da, als du es überhaupt geahnt hast, bevor du nach ihm gefragt hast. Und das mit Jugendlichen zu entdecken, ist glaube ich ein ganz zentraler Punkt . Du bist nicht allein. Gott ist da.
Und wenn alles andere weg bricht ist einer der hält. Und tiefer als in seine Hand kannst du nicht fallen. Wenn deine Freunde nicht da sind, du abends in deinem Bett liegst und nicht pennen kannst, weil immer wieder dieselben Fragen kommen, kann man sich darauf verlassen, dass Gott da ist und du mit ihm reden kannst und beten kannst und gleichzeitig auch ne Gemeinschaft, die dich durch schwere Zeiten tragen kann. Und das ist für mich Jugendkirche und Jugendgemeinde.
Weitere Informationen: www.weigle-haus.de www.jugendkirche-hannover.de
Modellprojekt Jugendkirche
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