Die Tränen fließen lautlos, während Nadine mir erzählt. Der polizeiliche Einsatz liegt schon einige Zeit zurück: Ein kleiner Junge wurde von einem LKW erfasst.
Entsetzliche Bilder. Aber noch schlimmer: Das den Eltern zu sagen: Ihr Junge ist tot. Die Schreie der Mutter. Das völlige Verstummen des Vaters. Der Wunsch der Polizistin nur weg hier. Aber sie ist lange geblieben, hat sich vor dem Schmerz der Eltern nicht gedrückt. Sie blieb, bis die Mutter sich etwas beruhigte, der Vater langsam aus seiner Apathie erwachte. Damals hat sie nicht geweint!
Nun fließen die schmerzlichen Tränen die Hilflosigkeit war so schrecklich. Keinen Trost spenden zu können. Die Wut über die Ungerechtigkeit, dass dieser kleine Junge viel zu früh gestorben ist.
Vor einigen Monaten: ich bin mit der gleichen Polizistin in einem Einsatz. Eine Drogengeschichte. Von einem schmierig grinsenden Drogendealer werden sie und ihre Kolleginnen anzüglich fragt: Na, Mädels, wollt ihr mich nicht gründlich durchsuchen. Während meine Hand unwillkürlich zur Faust wird, reagieren die Frauen nicht. Sie bleiben gelassen. Auch noch, als Sie Bullenschlampen und Polizeiflittchen genannt werden. Was mein Blut wütend in Wallung bringt, regt sie schon lange nicht mehr auf. Es ist ihr Alltag!
Und schon in einigen Tagen könnte es dieselbe Polizistin sein, die bei einer Fahrzeugkontrolle von einem anderen Auto erfasst wird; die unerwartet zwei verweste Leichen in der aufgebrochenen Wohnung findet, oder deren Kollege erschossen wird.
Nein, ich übertreibe nicht. Das Leben ist grausamer als jeder Fernsehbericht und unglaublicher als jedes noch so abgedrehte Fernsehspiel.
Wir leben in der unerlösten und unvollendeten Welt voller Leid und Gewalt. Tag für Tag geschehen grausamste und brutalste Dinge um uns herum. Mal weiter weg mal näher. Die Polizei ist immer mit im Spiel, wenn es brutal, unappetitlich oder gefährlich wird. Denn nach ihr wird immer dann gerufen, wenn das Zusammenleben zwischen uns Menschen wieder einmal nicht reibungslos klappt.
Ich frage mich oft, Ihr in der Polizei, wie haltet Ihr es in diesen Beruf nur aus ohne daran zu zerbrechen, ohne zu verzweifeln, ohne Euch anzustecken an der Brutalität dieser Welt? Das geht wohl nur mit einem großen Idealismus, den ich - immer noch und trotz allem bei euch erlebe. Das geht wohl nur mit einem ungebrochenen Glauben daran, dass es besser werden kann.
Vielleicht können wir alle in dieser Welt überhaupt nur leben und arbeiten, wenn wir die Vision einer besseren Welt gegen unsere Erfahrungen stellen. Wenn wir uns stärken mit der Gewissheit, dass Gott eine ganz andere Zukunft für uns vorgesehen hat.
Sprecher: Worte des Propheten Jesaja aus dem 65. Kapitel.
17 Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. 18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, 19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. 24 Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. 25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.
Kraftvolle Worte und starke Bilder. Ein großer Kontrast zur unerlösten Welt, in der wir leben.
Sprecher: Die Menschen sollen nicht umsonst arbeiten.
Noch gibt es himmelschreiende Ungerechtigkeit in unserem Wirtschaftsleben. Viele Menschen, die keine Arbeit haben. Und solche, die schuften müssen - für einen Hungerlohn. Manchmal sinnlose Arbeiten tun. Dagegen die Vision des Jesaja: Kein Tag, an dem man sich fragen muss: Wofür arbeite ich eigentlich hier? Gerechter Lohn für gute Arbeit, Arbeit für alle wird es geben, soziale Gerechtigkeit. Das verheißt auch: Dauerhafter Frieden zwischen den Menschen!
Sprecher: Die Menschen werden keine Kinder für einen frühen Tod zeugen.
Wie viel Leid, Not und Tränen machen diese Tode für uns aus mit vielen davon ist die Polizei täglich beschäftigt bei einer Verkehrsunfallaufnahme, bei einem plötzlichen Kindstod, bei Mord und Totschlag oder einfach nur bei einem Tod mit ungeklärter Todesursache in einer Wohnung.
Das alles soll es nach Gottes Verheißung nicht mehr geben. Keine Tränen, keinen Schmerz, keine Verzweifelung über den frühen Tod eines geliebten Menschen. Das wäre wunderbar.
Sprecher: Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
Noch schreien wir uns die Seele aus dem Leib, weil wir verzweifelt auf der Suche nach Antworten auf unsere Lebensfragen sind. Wie oft sagen wir wichtige Dinge und keiner hört zu. Die Worte des Jesaja aber sagen: Du brauchst es nicht einmal mehr auszusprechen, Gott wird Dir die ersehnten Antworten geben.
Sprecher: Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge.
Das sollten wir einmal versuchen. Einen Wolf und ein Schaf gemeinsam auf eine Weide zu lassen. Gute Nacht, liebes Schaf. Aber wir Menschen bekommen es auf den Weiden unseres Lebens auch nicht viel besser hin. Wir töten Säuglinge, schicken Kinder in den Krieg, lassen Menschen verhungern. Endlos könnte die Aufzählung über das Raubtier in uns werden. Doch Jesaja verspricht uns mit der Vision der Tiere: Jede menschliche Bosheit und Gemeinheit wird aufhören. Die Herrschaft der Gewalt ist durchbrochen. Wir können in Frieden miteinander leben.
Wenn es einmal so weit ist, dann wird es da bin ich mir sicher für die Polizei keine Arbeit mehr geben. Denn dann wird das Zusammenleben zwischen uns Menschen friedlich sein gewaltfrei. Es werden keine Regeln mehr überschritten, die anderen schaden könnten.
In dieser unerlösten Welt aber die nun einmal die Wirklichkeit unseres Lebens ist da brauchen wir die Polizei. Da brauchen wir Menschen, die uns von Berufs wegen lästig fallen. Menschen, denen wir das, was sie da für uns alle tun, zuweilen sogar richtig übel nehmen.
Denn, wenn wir ehrlich sind, wer ärgert sich nicht über die Geschwindigkeitskontrolle, wenn er es gerade mal einmal eilig hatte. Wer bricht schon in Jubel aus, wenn die Polizei spät abends klingelt, um die Party zu beenden, weil die spießigen Nachbarn von nebenan nicht selber in der Lage sind, zu bitten, dass die Musik leiser gestellt wird. Die Polizei genießt hohes Vertrauen in unserer Gesellschaft, aber geliebt wird sie selten. Wir wollen eben keine Kontrolle, keine Einschränkungen. Jedenfalls nicht für uns persönlich wenn, dann für die anderen.
So ist das in der unerlösten Welt. Wir mögen die Polizei vielleicht nicht, aber wir brauchen sie. Wir brauchen sie, um mit der Gewalt, dem Unfrieden und der Ungerechtigkeit einigermaßen fertig zu werden. Denn die Polizei arbeitet an einer Art Anzahlung auf die Verheißung des neuen Himmels und der neuen Erde. Wenn das gelingt, wenn Gewalt verhindert, Not gelindert, wenn Freiheit ermöglicht wird, dann können wir schon erahnen, wie das Leben sein könnte: Friedlich, gerecht, frei! Wenn das gelingt, dann arbeiten Sie alle mit am Reich Gottes und an der Erfüllung seiner großen Vision.
Instrumentalstück Big Band des LPO 2:00
Manchmal mag man die Nachrichten doch gar nicht mehr sehen. Wer will schon immer wissen, welcher bedrohliche Konflikt wo aufgebrochen ist und welche Katastrophe uns ereilt hat? Mir jedenfalls geht es so. Ich mag manchmal nicht mehr hinsehen, will nichts mehr wissen. Weil eine nicht enden wollende Traurigkeit von mir Besitz ergreifen könnte, wenn ich den Schmerz in Gesichtern von Menschen sehe. Weil ich an den traurigen Kinderaugen dieser Welt wahnsinnig werden könnte. Weil ich nicht weiß, woher ich die Tränen nehmen sollte, die über die Schicksale so vieler Menschen geweint werden müssten.
Aber so schnell will und kann ich nicht resignieren. Ich will mich nicht vor Trauer gelähmt im Schmerz der Welt verlieren. Ein achselzuckendes, mutloses Ich kann doch eh nichts ändern! und So ist´ es halt, werden Sie von mir nicht hören. Nicht hinzusehen und sich abfinden, wäre Verrat an der göttlichen Verheißung auf den neuen Himmel und die neue Erde.
Sprecher: Denn siehe- spricht Gott ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
Christliche Hoffnung heißt: genau hinzusehen, wie es in dieser unerlösten Welt aussieht und zu erkennen, woran sie krankt. Der Schmerz über die Realität dieser Welt zerreißt mir das Herz; aber ich werde nicht aufhören, nach einer besseren Zukunft zu fragen und um Trost zu ringen. Der christliche Glaube ist doch insgesamt eine Protestbewegung gegen den Tod, gegen Gewalt und gegen Not. Gottes Verheißung stellt sich leidenschaftlich gegen die Dinge, wie sie sind, und gegen den Lauf der Welt, wie er nun einmal ist.
Ganz leicht ist das nicht. Aber möglich. Und eines muss uns dabei klar sein: Wir können uns mühen und machen und tun. Wir können die Vision des Jesaja nicht verwirklichen. Keine Chance. Das ist ja gerade das Ärgerliche an dieser unerlösten Welt, dass wir sie nicht selber erlösen können. Dass wir darauf angewiesen sind, dass Gott das letzte Wort spricht und einlöst, was er uns versprochen hat seinen neuen Himmel und seine neue Erde.
Was ich eben noch ärgerlich nenne, ist aber auch entlastend Zu wissen, es hängt nicht an uns. Es hängt nicht an Eltern oder Lehrern, nicht an der Politik oder den Kirchen. Nach all dem Hilfe ringend zu rufen lohnt nicht. Und auch der Schrei nach der polizeilichen Ordnungsmacht auch wenn sie beruflich für Frieden und Gerechtigkeit eintritt - hilft nicht weiter.
Der Erlösung der Welt hängt nicht an Berufsgruppen und auch nicht an einzelnen Menschen. Wir alle sind mitverantwortlich und können mitarbeiten am Reich Gottes Aber auch wir werden den Frieden schlussendlich nicht herstellen können. Der neue Himmel und die neue Erde sind allein Gottes Werk er macht gerecht und er bringt uns den Frieden, die Gerechtigkeit und die Freiheit nach der wir uns so schrecklich sehnen.
Also doch: resignieren, die Hände in den Schoß legen? Auf gar keinen Fall! Wenn die Erfüllung der Verheißung auch nicht in unseren Händen liegt, zu tun gibt es auf jeden Fall eine Menge. Was? Wir können Zwischenbilanz ziehen, uns Rechenschaft darüber geben, worauf wir gesetzt haben und auch weiterhin setzen wollen: Ob wir die Resignation über die Zumutungen dieser Welt über uns herrschen lassen wollen oder ob wir die Kraft einer Vision vom neuen Himmel und der neuen Erde für unser Leben nutzen wollen. Ob wir Gott und seinen Verheißungen gemeinsam vertraut haben, weiter vertrauen oder heute neu vertrauen wollen: Denn das, was wir heute erleben, ist nicht alles und schon gar nicht das Letzte!!
Jesaja hat uns mit wunderschönen Worten seine Vision der Letzten Dinge beschrieben. Aber jeder trägt eigene Bilder und Visionen von der erlösten Welt in sich. Visionen, die die Sehnsucht nach der besseren Welt in uns wach halten. Da träumen wir vielleicht von einem Leben, in dem keine Kinder mehr missbraucht werden; wo Menschen miteinander reden anstatt aufeinander zu schießen; wo Menschen einander verstehen und lieben und was vielleicht am schwersten ist sogar sich selbst.
Mich beflügeln solche Bilder. Sie verändern unsere unerlöste, gequälte Welt. Nicht radikal, aber ein wenig. Und es lohnt sich auch im Kleinen allemal: Visionen helfen uns in dieser einen Situation einmal weniger hart über den anderen zu urteilen und in einer anderen Situation einmal weniger lieblos mit einem zu sprechen, der unsere Liebe so nötig hat, einmal weniger auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein.
Sprecher: Denn siehe,- spricht Gott ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe.
Gott macht alles neu und wir haben guten Grund, uns darüber zu freuen und fröhlich zu sein. Das ist seine Zusage und unsere Hoffnung. Diese Hoffnung trägt uns, damit wir die Welt, in der wir leben, ertragen können. Diese Hoffnung treibt uns an, dass Gute zu tun, damit wir nicht mehr getrieben sind, von dem Bösen dieser unerlösten Welt. In dieser Hoffnung sind wir frei für die Gegenwart und vor allem für alles Zukünftige. AMEN
|