Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

06.08.05, 5.56 Uhr, Eko Alberts

Hiroshima

6. August 1945, 8.13 Uhr am Morgen. In Europa ist der Zweite Weltkrieg seit mehr als acht Wochen zuende. Im Fernen Osten wird noch gekämpft.

Über einer japanischen Stadt erscheint ein amerikanisches Flugzeug, von anderen eskortiert. An Bord eine besondere Fracht, von der Besatzung  „Little boy“ genannt. Die Stadt heißt Hiroshima und „Little boy“ ist die erste Atombombe, die um 8.15 Uhr auf eine menschliche Stadt geworfen wird. Die Folgen: -zigtausend Tote sofort, 80 Prozent der Stadt ist zerstört, insgesamt werden ca. 150.000 Menschen durch diese eine Bombe sterben.

Auch heute noch sind diese Ausmaße ungeheuerlich. Obwohl es längst Bomben gibt, die wesentlich mehr Tod in sich bergen. Sie haben sich auch nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes leider nicht in Wohlgefallen aufgelöst. Unsere Welt sitzt noch immer auf dem Pulverfass.

Dass im Moment nur eine Supermacht das Gesicht der Erde prägt, kann uns nicht in Sicherheit wiegen. Es gehört gerade zu den schrecklichen Erfahrungen der letzten Jahre, dass unter dem Niveau des möglichen Atomschlages immer mehr Konflikte militärisch gelöst werden sollen. Kriege werden zunehmend wieder rechtfertigt. Zugleich wissen wir, dass die Zahl der Atommächte nicht weniger wird. Wer garantiert denn dafür, dass Flugzeuge, die plötzlich über einer Millionenstadt auftauchen können und Türme niederreißen, nicht auch einen oder mehrere „Little boy“ mit sich führen?

Denn das Schlimme: Wenn Befehle erteilt werden, fanden sich bisher immer Menschen, die gehorchen: egal, wie der Befehl lautet. Es wird erzählt, dass der Oberst Paul W. Tibbets, der über Hiroshima die Bombe ausklinkte, später gefragt wurde, ob er denn nicht bereue, dass er für den Tod so vieler Menschen verantwortlich sei. Da soll er geantwortet haben: „Ich habe nie bereut und mich nie geschämt, denn ich glaubte damals, dass ich meine patriotische Pflicht tat, als ich den Befehlen folgte, die man mir gab.“

Heute kann es im Morden des Krieges keine patriotische Pflicht mehr geben, wenn es die denn je gegeben haben sollte. Heute gibt es nur noch eine universale Pflicht allen Menschen und allem Leben gegenüber: Das schlichte Gebot: „Du sollst nicht morden!“ Jedem einzelnen der Milliarden Menschen dieser Erde muss es so ins Gewissen gebrannt sein, dass keine patriotische Pflicht und keine Tapferkeitsmedaille, auch kein Versprechen des Paradieses und der Märtyrerehre ihn vom Gehorsam vor diesem Gebot wegführt. Ob die Erinnerung an den 6. August 1945 in Hiroshima ausreicht, dies zu bewerkstelligen? Ich glaube es nicht. Aber die Erinnerung ist bitter nötig. Damit wir uns auf die Suche machen, Konflikte beizeiten zu benennen; sie auch zu besprechen und mit aller Phantasie nach friedlichen Lösungen zu suchen. Wir brauchen dazu nicht den Geist der Gewalt und der Rache, der zum Morden verführt. Wir brauchen den Geist der Freundschaft und der Versöhnung, Gottes Geist.

Audiobeitrag Hiroshima


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