Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

18.10.13; Pfarrer Michael Nitzke

Mit Konflikten leben

„Hurra, wir haben einen Konflikt!“ Das ist keine neue Comedyserie sondern der Titel einer Fortbildung für Kirchenleute.

Viele Menschen geraten in Konflikte. Denn sie haben Wünsche, Bedürfnisse und Interessen, die mit denen anderer Menschen nicht vereinbar sind.1 Das kommt in den besten Familien vor, und nicht nur da. Ob am Arbeitsplatz oder im Sportverein: es gibt Menschen, die suchen Konflikte, und es gibt welche, die versuchen ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich glaube, beides ist nicht der richtige Weg. Ich kann lernen, mit Konflikten umzugehen. Deshalb können sich auch Berater über Konflikte freuen, denn sie können helfen, sie zu bewältigen. Egal, was los ist, ich will wenigstens miteinander reden.

"Mit Konflikten leben!" war das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentages 1963 in Dortmund. Vor 50 Jahren wurden dort viele Konflikte deutlich. Es war der erste Kirchentag nach Errichtung der Berliner Mauer. Die Welt war nun mit Stacheldraht in zwei Hälften geteilt.

Doch genau solch ein Stacheldraht wurde zum Symbol dieses Kirchentages. Auf dem Plakat war er zu einem Kreis gebunden. Das erinnerte an den Dornenkranz, den die Römer Jesus Christus aufgesetzt hatten, um ihn zu verspotten. Darüber stand das Motto: "Mit Konflikten leben!" Mit dem Motto wollten die Veranstalter zeigen: man kann nicht jeden Konflikt lösen, aber man soll den Konflikten nicht aus dem Weg gehen.

Die Kirchentagsleute blieben vor 50 Jahren nicht unter sich, sie gingen auf die Menschen in Dortmund zu, die sonst kaum etwas von der christlichen Veranstaltung mitbekommen hätten. Sie redeten mit 120 Insassen eines Jugendgefängnisses. Sie sprachen in einer Zeche zu den 2700 Kumpeln über die Betriebslautsprecher. Der Kirchentag sollte bewusst in den Alltag hinein wirken. Und zum Alltag gehört in Dortmund immer auch der Fußball. Direkt neben dem Hauptveranstaltungsort spielte Borussia Dortmund im DFB-Pokal gegen Saarbrücken. In der Halbzeit überbrachten zwei Vertreter des Kirchentages die Grüße der Christen. Und sie erklärten kurz und bündig den Fußballfans die Sache mit dem Stacheldraht, und dass man mit Konflikten eben leben muss.2

Der BVB hat seinen ersten Pokal erst zwei Jahre später gewonnen und es dauerte noch mehr als 26 Jahre, bis kein Stacheldraht mehr die Menschen in Deutschland trennte.
"Mit Konflikten leben", das heißt wohl auch: geduldig sein und Ruhe bewahren. Manche großen Konflikte kann ich nicht ändern. Aber ich muss nicht untätig bleiben. Ich kann Vertrauen aufbauen und auf Menschen zu gehen.

Bei kleineren Konflikten kann ich lernen, wie man gut miteinander leben kann. Manchmal habe ich den anderen einfach nicht richtig verstanden. Wir können reden und plötzlich löst sich alles auf. Wünsche, Bedürfnisse und Interessen können offen benannt werden. Mal gebe ich nach, mal kann ich überzeugen. Oft kann ich mit anderen Kompromisse finden. All das kann mir bei großen Konflikten helfen. Deshalb kann es auch mal heißen: „Hurra, wir haben einen Konflikt!“
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1 http://www.ekir.de/go/cms/fileadmin/user_upload/GO/2013_Hurra__wir_haben_einen_Konflikt.pdf (abgerufen am 3.9.2013)
2 Mit Konflikten leben - Erlebter Kirchentag Dortmund 1963, Kreuz-Verlag, Stuttgart 1963, Seite 225-227.

 

Audiobeitrag Mit Konflikten leben


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