Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

04.10.13; David Ohlert

Geschmacksfrage

„Zieh dir was Vernünftiges an!“ Das hab ich früher fast jeden Morgen von meiner Mutter gehört. Nur nervig.

Im Bus war neulich so ein Typ, der vermutlich nicht so eine Mutter hat. Der trug einen komischen Strickpullover mit Querstreifen. Ich dachte nur: Wie sieht das denn aus? Bestimmt irgend so ein Spinner.

Da war es: Mein Vorurteil. Aber warum? Er hat gegen die Modetrends verstoßen. Ich würde sogar sagen gegen den guten Geschmack. Und das ließ mich sofort schlecht über diesen Strickpulloverträger denken. Jemand, den ich gar nicht kenne. Den ich nur kurz gesehen habe. Der berühmte erste Eindruck. Ich hab den Gedanken mal weiter gesponnen: Wenn ich aufgrund der Kleidung schlecht über andere denke, dann machen das andere auch.

Mmmh, ich trage ein blaues T-Shirt und eine kurze Hose. Und kann es sein, dass der Mann im Anzug neben mir jetzt auch so über mich denkt? Irgendwie ein beunruhigender Gedanke. Klar, man kann sich auch nicht immer nur anpassen. Und: Was soll dann eigentlich der Maßstab sein? Kann ich nicht von anderen erwarten, dass sie einfach meine Klamotten akzeptieren? Kann ich! Und das darf der Typ aus dem Bus auch von mir erwarten. Und wenn das schon bei den Klamotten so ist, wie dann erst bei seinem Musikgeschmack, seiner politischen Meinung, seiner Religion? Respektieren, dass andere anders sind. Nicht immer einfach. Aber mit etwas Toleranz kommen wir schon klar.

Sprecher: Daniel Schneider

 

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