Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

30.09.13; Anne Rütten

Versöhnungsbier

„Hör dir das mal an!“ Wutschnaubend fegt Sven an mir vorbei ins Wohnzimmer. Sven hat vor zwei Wochen seine Freundin mit Kai zusammen erwischt.

Kai ist einer seiner besten Freunde. Starker Tobak, keine Ahnung, ob ich sowas verzeihen könnte. Ich bin ihm noch nicht ganz hinterher gekommen, als er schon anfängt, eine SMS von Kai vorzulesen: „Es tut mir leid. Versöhnungsbier? Geht auf mich.“ Fassungslos guckt er mich an und ruft: „Was sagt man denn dazu?“ Ich zucke ratlos mit den Achseln. Diese Wut kann ich echt nachvollziehen. Was ist das für ein Freund, der hinter seinem Rücken mit der Freundin rummacht? Auf der anderen Seite weiß ich, dass Kai und Sven schon seit der Schulzeit gute Freunde sind.

„Lass uns erstmal ‘ne Runde laufen gehen. Das macht den Kopf frei“, schlage ich Sven vor. An der Kirche, die auf unserer Strecke liegt, hängt heute ein großes Banner, auf das ein Bibelzitat gedruckt ist: „Seid aber zueinander gütig, mitleidig, einander vergebend, wie auch Gott in Christus euch vergeben hat.“ Und darunter künstlerisch in rot gesprayt: „Heute schon vergeben?“ Sven bleibt davor eine Weile stehen. „Ich kann das noch nicht verzeihen“, sagt er hart. Ich nicke, aber eins fällt mir auf: „Hast du gerade „noch“ gesagt?“ Sven zieht ein Gesicht und spurtet wieder los. Als ich zuhause ankomme, sitzt er schon auf der Treppe vor meinem Haus und steckt gerade sein Handy weg. „Was hast du geantwortet?“, frage ich ihn. Er guckt schon etwas entspannter, als er sagt. „Er soll mich in zwei Wochen nochmal fragen.“

Sprecher: Daniel Schneider

 

Audiobeitrag Versöhnungsbier


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