Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

14.06.13; Sebastian Richter

Oma muss ins Heim!

„Oma muss ins Heim!“ – Vor diesem Satz hatte ich immer Angst.

Mein Onkel Micha spielte sich ganz schön auf: „Zuhause geht‘s auf keinen Fall mehr!“ Meine Mutter zuckte mit den Schultern. Sie wollte und konnte sich nicht noch mehr um Oma kümmern. Und ich? Ich war mitten im Studium, kaum zu Hause und mit mir schon überfordert.

Oma selbst hatte wenig Mitspracherecht. Sie lag gerade mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus, weil sie mal wieder gefallen war. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, alle wollten Oma nur loswerden. Aufs Abstellgleis stellen. Das hat mich am meisten geärgert.

Im letzten Sommer war es soweit. Sie kannte das Haus von der Kurzzeitpflege, der Einzug fiel ihr dadurch nicht ganz so schwer. Auch einige Bewohner kannte sie aus ihrer Zeit in der Frauenhilfe. Natürlich hat Oma trotzdem keine Luftsprünge gemacht.

Doch was in den folgenden Wochen geschah, überraschte mich: Sie bekam plötzlich mehr Besuch denn je. Sie wurde fitter und fitter und sie besuchte – mit 83 – zum ersten Mal in ihrem Leben einen Malkurs. Oma wirkt heute wieder sehr glücklich.

Und ich? Ich bin froh, dass es so ausgegangen ist. Und ich schau jetzt wieder öfter vorbei. Nicht weil ich sollte, sondern weil ich möchte. Dann zeigt sie mir ihre Bilder. Und ich kann mit ihr reden. Bestimmte Geschichten, die unsere ganze Familie geprägt haben, kennt nur sie. Ich merke, unsere Zeit ist begrenzt. Ich will sie nutzen.

Sprecher: Daniel Schneider

 

Audiobeitrag Oma muss ins Heim!


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