Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

02.04.13; Bernd Tiggemann

Die persönliche Todesanzeige

Vor gut einem Jahr hab ich durch die Zeitung erfahren, dass ich gestorben bin.

Nach dem Urlaub hab ich meine Eltern besucht, um zu sagen, dass ich gesund und munter wieder da bin. Meine Mutter hielt mir die Zeitung hin mit den Worten „Setz dich, bevor du sie aufschlägst.“ In der Todesanzeige oben links stand mein Name.

Zuerst war ich geschockt und konnte gar nicht glauben, was ich da lese. Dann war ich irritiert: Hat sich etwa jemand einen Scherz erlaubt? Und dann hab ich gemerkt, dass ein ganz anderer Mensch gestorben ist, der zufällig den gleichen Namen hat wie ich.

Heute bin ich dankbar, dass ich auf diese Todesanzeige gestoßen wurde. Denn durch sie hab ich angefangen nachzudenken: Was wäre, wenn mein Leben von jetzt auf gleich zu Ende ist? Wann werde ich sterben und wie? Was kommt nach dem Tod?

Dabei hab ich eins gelernt: jeder einzelne Tag ist unendlich wertvoll, gerade weil das Leben begrenzt ist. Darum hab ich angefangen, jeden Tag bewusster zu leben. Nicht wirklich so, als wär's der Letzte. Aber eben doch bewusster.

Dieser Tage hab ich in der Zeitung nochmal in Todesanzeigen geblättert. Einfach so, aus Neugier. Bei einer stand: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Ich glaub, ein bisschen klüger bin ich schon.

Sprecherin: Alexa Christ

 

Audiobeitrag Die persönliche Todesanzeige


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