Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

19.03.13; Beate Raguse

In der Geschlossenen

Sonntagmorgen kurz vor zehn. Mist, schon so spät. Ich ziehe mir das Erstbeste über – die karierte Hose und den gestreiften Pullover. Egal, es muss schnell gehen.

Schließlich habe ich ja den Mantel über. Außerdem kann ich mich unauffällig irgendwo nach hinten setzen.

Seit langem will ich in den Gottesdienst in der Psychiatrie. Eine Freundin von mir macht da ein Praktikum. „Wäre auch was für dich“, meinte sie. Am Eingang der Klinik werde ich zu Haus 8 geschickt – 2. Etage, die Geschlossene. Ich frage mich durch, klingle. Ein Pfleger lässt mich rein. Ich muss den Flur entlang. In einem kleinen Zimmer stehen ein Stuhlkreis und ein Klavier. Etwa zehn Leute schauen mich interessiert an. Zwei ältere Frauen – beide im schicken Kostüm – begrüßen mich. Ich hänge meine Jacke zu den anderen. Nichts mit letzte Reihe. Wir singen, hören ein Lied von Grönemeyer, sprechen über ein Bild. Am Ende fühle ich mich trotz meines Outfits ziemlich wohl.

Als ich wieder raus will, ist eine andere Schwester da. Sie guckt auf meine strubbeligen Haare, mustert meine Kleidung. „Ich kenne Sie nicht.“ „Ich war im Gottesdienst. Ich möchte raus.“ Sie reagiert nicht. „Das kann doch nicht sein“, denke ich. „Die kann doch nicht mit einem Blick erkennen, wer ich bin!“ Rettung kommt in Gestalt der beiden adretten Damen. Sie klären die Sache auf. Puh! Wie verrückt, denke ich, zwei Patientinnen sorgen dafür, dass ich wieder raus darf.

Sprecherin: Alexa Christ

 

Audiobeitrag In der Geschlossenen


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