Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

24.12.12; Pfarrer Michael Nitzke

O, du fröhliche

Autor: Es sollte ein wunderschönes Weihnachtssingen werden. Wir Kinder haben geübt und geübt. Aber es wollte nicht gelingen, die Lieder waren einfach zu schwer.

Unser Chorleiter  Johannes Daniel Falk , war schon ganz aufgeregt. Hoffentlich wird das  noch was. Bis Weihnachten.

Ja, so war das damals im Jahre 1816. Johannes Daniel  Falk war ja nicht nur unser Chorleiter. Er hatte auch das Kinderheim gegründet, in dem wir nun lebten. Wenn er nicht gewesen wäre, dann hätten wir gar kein zu Hause. Denn unsere Väter waren nicht zurückgekehrt aus dem Krieg gegen Napoleon und unsere Mütter wurden verschleppt oder starben an Thyphus.

In der Pause bei der Probe hat  Herr Falk diesem Jungen zugehört, den niemand versteht. Der träumt von seiner Heimat irgendwo in Italien, und summt vor sich hin, wahrscheinlich ein Lied, das die Fischer vor Sizilien immer gesungen haben.
Am andern Tag traute ich meinen Ohren nicht. Herr Falk sagte, wir sollten die Lieder von gestern vergessen. Er summte uns eine neue Melodie vor. Für mich hörte sie sich so an, wie die von dem Jungen aus Italien. Die Melodie war ganz leicht. Herr Falk schreibt die Worte an die Tafel, die wir singen sollen.

O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!
Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!

Autor: Wir hatten eigentlich nicht viel Lust, noch mal ein neues Lied zu lernen, aber unser Chorleiter überredete uns  „Wenn Ihr dieses Lied lernt, dann braucht ihr ein ganzes Jahr kein neues zu lernen.“ - Natürlich waren wir jetzt ganz heiß auf die zweite Strophe!

O du fröhliche, o du selige, Gnaden bringende Osterzeit!
Welt lag in Banden, Christ ist erstanden: Freue, freue dich, o Christenheit!

Autor: Ja, das war nun wirklich praktisch. Das war fast so, als wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fällt. Und irgendwie schafft es Johannes Daniel  Falk, Dinge in einen Satz zu bringen, wofür Martin Luther ganze Regale vollgeschrieben hat. Er  kriegt sogar die ganze Dreifaltigkeit in eine Zeile. Ach, von der dritten Strophe habe ich ja noch gar nicht erzählt. Die ging so:

O du fröhliche, o du selige, Gnaden bringende Pfingstenzeit!
Christ unser Meister, heiligt die Geister: Freue, freue dich, o Christenheit!

Autor:  Johannes Daniel Falk sagte, das wäre ein Allerdreifeiertagslied. Was haben wir gejubelt. Nie mehr Lieder lernen! Ein Lied, und es ist das ganz Jahr das richtige!
Aber einem passte das nicht: dem Heinrich! Er kam uns immer irgendwie als Streber vor. Und seit er für Herrn Falk die Orgel spielte, mussten wir immer Herr Holzschuher zu ihm sagen. So viel älter als wir, war er doch auch nicht. Er wollte das Lied ganz für Weihnachten haben. Aber damals traute er sich wohl nicht zu widersprechen. Erst drei Jahre, nachdem der Herr Falk das Zeitliche gesegnet hatte, kam der Herr Holzschuher mit seinen neuen Strophen heraus: Christ ist erschienen, uns zu versühnen, heißt es jetzt in der zweiten Strophe, und in der dritten lässt er singen: Himmlische Heere jauchzen dir Ehre. Ob das dem alten  Falk gefallen hätte? Sicher! Denn der Johannes Daniel Falk war schon ein besonderer Mensch. Er hat Kindern ein Heim gegeben, die keins hatten. Und mit seinem Lied ließ er uns immer an das Kind von Bethlehem denken. Das hätte ja auch fast kein Heim bekommen.


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