Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

27.12.10, Pfarrer Michael Nitzke

Schweine

Schweine sind doch die besseren Menschen. Zugegeben, das hört sich an wie ein dummer Spruch.

Aber hinter manchem Spruch, der so locker daher kommt, steckt eine tiefe Wahrheit.

Es fängt alles an mit einer Geschichte aus der Bibel. Einer Geschichte, die man nicht so oft hört. Und wenn man sie hört, wundert man sich, denn hier wird von einer wundersamen Heilung berichtet, und da sind mo-derne Menschen ja schon gleich skeptisch. Obwohl, … manchmal können alte Geschichten ganz schön modern sein, wenn man sie richtig versteht.

Neugierig geworden? Also: Jesus trifft einmal einen Mann, der haust in alten Grabhöhlen. Etwas sonder-lich war dieser Mensch. Als Jesus ihn trifft, schlägt er gerade mit Steinen auf sich ein. Das ist selbst-zerstörerisches Verhalten, das schreit nach einer Therapie. In der Bibel heißt es, der Mann hatte einen sprachlosen Geist.  Als der Mann Jesus sah, war er gar nicht mehr so sprachlos. Der Mann samt seinem Geist gab sich kampflos geschlagen, der Geist entpuppte sich als multiple Persönlichkeitsstörung und sah nur eine Möglichkeit: die Flucht in eine Schweineherde, die in der Nähe war.

Die Schweine stürzten sich eine Klippe hinunter und rissen sich selbst und den sprachlosen Geist mit in den Tod. Der kranke Mann wachte auf, war bei klarem Verstand, und erzählte allen, wie Jesus ihn geheilt hatte.

Das blieb für mich immer eine spektakuläre Wundergeschichte aus dem alten Orient, bis ich sie fast selbst erlebte, allerdings haben da die Schweine überlebt.

In einer Wohngruppe für Kinder, die missbraucht wurden, lebte ein Junge, der nicht mehr sprach. Die Therapeuten konnten sich auf den Kopf stellen. Aber kein Wort konnten sie dem Jungen dadurch ent-locken. Bis einer auf die Idee kam, es mit Tieren zu versuchen. Auf dem Gelände der Wohngruppe gab es einen Stall mit Tieren vom Bauernhof. Das Kind bekam die Aufgabe, die Tiere zu versorgen, das konnte man ihm ohne Worte zeigen. Doch was jetzt geschah, war wie ein Wunder.

Wenn der Junge sich unbeobachtet fühlte, dann ging er zu dem Schwein. Schüttete ihm sein Futter hin und bürstete es sanft und dann konnte man hören, wie er zu dem Tier sprach. Es waren liebevolle Worte, Worte der Zuwendung. Er freute sich, dass er für das Tier sorgen konnte. Er sprach! Er sprach zu dem Schwein, aber nicht zu den Menschen.

Das Schwein hatte seinen sprachlosen Geist zum Sprechen gebracht. Warum? Vielleicht, weil das Kind mit Menschen so schlechte Erfahrungen gemacht hatte, dass es ihnen kein Wort mehr gönnen wollte. Es war ein langer Weg, bis das Kind wieder ohne Angst leben konnte, aber ein Anfang war gemacht. Ein Schwein hat den Jungen vom sprachlosen Geist geheilt. Genauso, wie es in der Bibel steht. Ok, nicht ganz genau so, denn das Schwein hat überlebt.

Sind Schweine nun doch die besseren Menschen? Nach dieser Geschichte kann mir niemand mehr sagen, dass das einfach nur ein dummer Spruch sei.

Audiobeitrag Schweine


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