Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

10.09.10, Pfarrer Michael Nitzke

Freundschaft

„Der Timo ist mein bester Freund!“, sagt Maximilian seiner Mutter, als sie ihn vom Kindergarten abholt.

  Maximilian kann es gar nicht erwarten, bis er ihn morgen wieder sieht, dann wird stundenlang gespielt. Wenn die Erzieherin eine Geschichte vorliest, sitzen die beiden zusammen da und lauschen. Timos Mutter setzt alles daran, dass ihr Sohn in die gleiche Schule wie Maximilian kommt. Die beiden Freunde lernen jetzt viel miteinander. Später irgendwann zwischen Konfirmandenunterricht und Abitur tauschen sie sich über die Mädchen aus, die Sie kennenlernen wollen. Freunde stehen zu einander, Freunde sind füreinander da.

Der Beruf bringt sie später auseinander, die Begegnungen werden seltener, manchmal dauert es Jahre, bis man sich wieder sieht. Dennoch das Band der Freundschaft hält. Manchmal ein Leben lang.

„Euer Freund ist die Antwort auf Eure Bedürfnisse.“ Diese Worte schrieb 1923 der christlich-arabische Dichter Khalil Gibran in seinem Buch „Der Prophet“. Im Libanon wurde Gibran von arabischer Literatur geprägt, an der Ostküste Amerikas lernte er, die Menschen seiner Zeit anzusprechen. Seine Worte sind bis heute aktuell: „Wenn euer Freund seine Meinung kundtut, dann fürchtet Ihr weder das Nein in euren Ge-danken, noch haltet mit dem Ja hinter dem Berge zurück.“

Freundschaft beruht auf Ehrlichkeit zueinander, Freundschaft hält auch manche Kritik aus. Freundschaft überwindet auch große Entfernungen und hält über Jahre
auch, wenn man sich nicht sehen kann.

„Denn was ihr am meisten an [eurem Freund] liebt, wird vielleicht in seiner Abwesenheit deutlicher offenbar, so wie für den Kletterer der Berg von der Ebene aus klarer zu erkennen ist.“

Abstand muss also einer Freundschaft nicht schaden. Das werden auch Freunde, wie Timo und Maximilian erfahren, die im Kindergarten noch unzertrennlich waren und durch den Beruf nun so weit getrennt von-einander leben.

„Euer Freund … ist das Feld auf dem ihr mit Liebe sät und unter Dank erntet.“ Khalil Gibran verbindet in seinen Gedanken Freundschaft und Liebe miteinander. Er ist nicht der erste, der das tut. Der Dichter aus dem christlichen Teil des Libanon kannte auch die Worte, die von Jesus Christus im Johannesevangelium überliefert werden:

„Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“ (Joh 15,13)

Zu Jesus Christus haben viele Menschen heute eine große Distanz entwickelt. Der Jesus, den man in den Kindertagen kennengelernt hat, scheint weit entfernt zu sein, wenn wir uns in der harten Berufswelt herumschlagen müssen. Wenn wir Jesus einfach als einen alten Freund betrachten, den wir sehr lange nicht mehr gesehen haben, dann kann er uns immer wieder etwas sagen. „Denn was ihr am meisten an ihm liebt, wird vielleicht in seiner Abwesenheit deutlicher offenbar“.

Diese Abwesenheit kann ich überwinden, wenn ich ihn suche. Dann entdecke ich bei dem guten alten Freund Jesus, was mir ein guter Freund alles schenken kann. Er zeigt mir, wie ich Menschen offen begegne. Er bewahrt mich davor, sie in eine Form zu pressen. Er zeigt mir, wie ich verzeihen kann und wie ich Dankbarkeit ausdrücke. Er bewahrt mich davor, Richter über andere zu sein. 

Khalil Gibran beschreibt, was man von einem guten Freund erwartet: „Ihr kommt zu ihm mit eurem Hunger und ihr sucht bei ihm den Frieden.“

Audiobeitrag Freundschaft


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