Der evangelische Rundfunkbeauftragte beim WDR

07.06.08, Pfarrer i.R. Burkhard Müller

"Ich weiß, woran ich glaube" (eg 357)

Sprecher: „Lasst ab vom Gotteswahn. Werdet Agnostiker wie ich. Denn ich weiß, warum ich nicht glaube.“

Autor: So oder ähnlich kann man es heutzutage von selbstbewußten Atheisten hören. Warum reagieren wir Christen nicht mit dem gleichen Selbstbewußtsein und sagen forsch:

Sprecher: „Du weißt zwar, warum du nicht glaubst. Ich aber weiß, woran ich glaube.“

Autor: Warum scheuen wir uns? Sind wir zu feige? Oder sind wir nur ehrlich? Vielleicht möchten wir gern ohne Wenn und Aber glauben können, dass es in dem Auf und Ab unserer Zeiten etwas gibt, auf das man sich wirklich verlassen kann. Aber es gibt in uns zu viele Zweifel und Fragen! Einer hat es gewagt zu sagen: „Ich weiß woran ich glaube, ich weiß was fest besteht...“ Und hat ein Lied daraus gemacht.

Choral: Ich weiß, woran ich glaube,
ich weiß, was fest besteht
wenn alles hier im Staube
zu Sand und Staub verweht
Ich weiß, was ewig bleibet,
wo alles wankt und fällt,
wo Wahn die Weisen treibet
und Trug die Klugen prellt. 

Autor: Dieses Lied ist fast 200 Jahre alt. Es stammt nicht aus der berühmten guten alten Zeit mit einer stabilen Ordnung. Im Gegenteil. Der Dichter, Ernst Moritz Arndt,  hat in seinen neunzig Lebensjahren bitter erfahren, dass nichts fest besteht. Immer wieder wurde das Oben nach unten und das Unten nach oben gekehrt. Er war zwanzig Jahre alt, als die Französische Revolution alle alten Ordnungen über den Haufen warf.

Aber statt Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit für alle kam am Schluss Napoleon heraus. Und der verwirbelte und unterwarf mit seinen Soldaten die europäische Welt. Nichts blieb wie es war. Arndt stürzte sich mit geradezu religiöser Leidenschaft in den Freiheitskampf gegen Napoleon. Der war für ihn

Sprecher: „der Teufel auf höllischem Thron“.

Autor: Dann welcher Triumph und Jubel: Napoleon ist besiegt. Aus welcher Höhe ist er so tief gefallen, dieser Abgott Napoleon! Nun  ist der Krieg gewonnnen  und – hurra - Deutschland ist frei! Aber was für ein  Geschacher der Mächtigen auf dem Wiener Kongress, wo die Neuordnung Europas geplant wurde. Arndt ist enttäuscht und entsetzt:

Sprecher: „Unsere Fürsten und Herren bekehren sich nicht wieder zur Treue, der Teufel hole sie!“

Autor: Er wird Professor in Bonn. Aber nichts hat Bestand. Die Freiheit wird mit staatlicher Zensur unterdrückt. Ihm, dem wortgewaltigen Streiter für Freiheit, wird die Professur genommen. 20 Jahre lang Lehrverbot, 20 Jahre Maulkorb!

Und dann das: sein neunjähriger Sohn gerät beim Baden im Rhein unter ein Floß und ertrinkt. Erst mit 70 Jahren wird er wieder in sein Amt eingesetzt. Aber er sieht seine Lage klar:

Sprecher: „Glück, du kommst zu spät! Meine Jahre sind hinter mir geronnen.“

Autor: Die Revolution von 1848 begeistert ihn noch einmal, er wird wie ein junger Kämpfer, bis auch diese Revolution scheitert.

Wie nur kann man bei so viel Scheitern singen: „Ich weiß, was fest besteht. Ich weiß, was ewig dauert, und nicht wie Sand verweht.“ Oder kann man solches Scheitern nur ertragen, wenn man etwas glaubt, das nicht vergeht?

Choral: Ich weiß was ewig dauert
ich weiß was nimmer lässt,
mit Diamanten mauert
mir's Gott im Herzen fest.
Die Steine sind die Worte,
die Worte hell und rein,
woduch die schwächsten Orte
gar feste können sein.  

Autor: Arndt hat Lieder für Burschenschaften geschrieben. Und für Freiheitskämpfer. Lieder die erst in Männerkehlen richtig klingen. In denen Gewalt und Krieg mit Kampf und Glaube merkwürdig abstoßend verbunden sind.

Sprecher: Der Gott, der Eisen wachsen ließ,
der wollte keine Knechte,
drum gab er Säbel, Schwert und Spieß,
dem Mann in seine Rechte.
Wir wollen heute Mann für Mann
mit Blut das Eisen röten,
mit Henkersblut, Franzosenblut,
o süßer Tag der Rache.
Das klingt allen Deutschen gut,
das ist die große Sache.

Autor: Ein Zeitgenosse Arndts urteilt über den Text seiner Lieder:

Sprecher: Da ist das neutestamentliche Hosianna immer noch von dem Schlacht-Trommeten-Hall des Sieges über Napoleon durchdrungen.

Autor: Aber dieser Mensch verfasst dann einen Choral: Ich weiß woran ich glaube. Dabei hat er lange Jahre seines Lebens keinerlei Gewissheit über seinen Glauben gehabt. Ein religiöser Patriotismus ist lange sein einziges Glaubensbekenntnis, nie wird er ganz davon loskommen.

Aber doch kommt etwas Neues, ein anderer Ton. In Bonn wird er Mitglied der kleinen evangelischen Gemeinde und hilft sie aufbauen. Dort bricht in ihm eine andere Sicht des Lebens hervor. War das seine Lebenserfahrung: nichts bleibt, so wird dies seine Glaubensentdeckung:
ich weiß was fest besteht.
 
Er, der hochaktive Kämpfer, lernt zu glauben, das man das Entscheidende im Leben nur geschenkt bekommt, den Halt unter den Füßen in turbulenten Zeiten, dass nur Gott selbst dem Leben ein festes Fundament gibt. Und das macht er nicht mit der Kraft des Schwertes, die Arndt so oft besungen hat. Sondern durch das Wort, nur durch das Wort!

Sprecher: Die Steine sind die Worte,
die Worte hell und rein,
wodurch die schwächsten Orte
gar feste können sein.

Autor: In diesen Worten steckt Gottes Kraft, das macht sie so fest.

Choral: Auch kenn ich wohl den Meister,
der mir die Feste baut
er heißt der Fürst der Geister,
auf den der Himmel schaut
vor dem die Seraphinen
anbetend niederknien,
um den die Engel dienen:
ich weiß und kenne ihn. Musik

Autor: Von Strophe zu Strophe hat uns Arndt dahin geführt,  wo für ihn diese Gewissheit begründet ist. Nun gibt er ihr sogar einen Namen. Richtiger: nennt den Namen dessen, in dem der Glaube seine Gewissheit findet: Christus. Arndt hat so viele Predigten  gehört und moderne Lieder gesungen. Und er klagt:

Sprecher: Sie sind voll Dünkelei, Klügelei, Nebelei und Schwindelei überall auf Kanzeln und Thronen, daher die Nichtigkeit, Hinfälligkeit und Verzagtheit, wenn es gilt, Kraft und Tugend zu bewahren.

Autor: Viele Worte machen sie, aber nennen so oft nicht den Namen dessen, der dem Glauben seinen festen Grund gibt. Christus, der ist der Fels, auf dem man fest stehen kann, wenn das Leben in seinem Auf und Ab uns rüttelt und schüttelt. Der ist das Wort, das Gott gesprochen hat. Der ist die Erleuchtung der Gedanken.
 
Wie ist Arndt mit dem Durcheinander seiner Zeit zu Recht gekommen? Ich denke vor allem deshalb, weil er diesen Glauben fand: dass es jenseits von allem Wandel etwas gibt, was ewig Bestand hat. Solcher Glaube hilft bestimmt im Chaos des Lebens, wenn ich mit Ernst Moritz Arndt sagen kann, „Ich weiß woran ich glaube, ich weiß was fest besteht.“

Choral: Das ist das Licht der Höhe,
das ist der Jesus Christ,
der Fels auf dem ich stehen, der diamanten ist,
der nimmermehr kann wanken,
der Heiland und der Hort,
die Leuchte der Gedanken,
die leuchten hier und dort. 

Drum weiß ich, was ich glaube,
ich weiß was fest besteht
und in dem Erdenstaube
nicht mir als Staub verweht;
ich weiß, was in dem Grauen
des Todes ewig bleibt
und selbst auf Erdenauen
schon Himmelsblumen treibt. 

Das war Kirche in WDR 3 mit Burkhard Müller aus Bonn über den Choral “ Ich weiß woran ich glaube“ Es sang unter anderem die Kantorei der Christuskirche Herford unter der Leitung von Wilhelm Ehmann.


 

Audiobeitrag "Ich weiß, woran ich glaube" (eg 357)


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